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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hatte, das Diktat für einen Brief an eine Bank in Johannesburg aufzunehmen. Offensichtlich glaubte die UN selbst nicht an ihre Sanktionen, aber Signorina Elettra hatte es für nötig befunden, daran festzuhalten, auch wenn es sie die Stelle kostete.
    Sie sah auf, ihre Augen leuchteten, ein Schlachtross, das die Trompeten zum Angriff blasen hörte. »Genau.« Aber wenn Brunetti erwartet hatte, dass sie sich weiter darüber ausließ oder die beiden Fälle miteinander in Beziehung setzte, wurde er enttäuscht. Sie warf einen bedeutungsvollen Blick zu Pattas Tür. »Er erwartet Sie.«
    »Haben Sie eine Ahnung?«
    »Keine«, antwortete sie.
    Brunetti sah plötzlich ein Bild aus seinem Geschichtsbuch für die Oberstufe vor sich: Ein römischer Gladiator, der sich grüßend zum Kaiser umdrehte, bevor er sich in die Schlacht mit einem Feind warf, der nicht nur ein längeres Schwert hatte, sondern auch zehn Kilo schwerer war als er. »Ave atque vale«, sagte er lächelnd.
    »Morituri te salutant«, antwortete sie so beiläufig, als läse sie einen Fahrplan.
    Das altrömische Thema fand drinnen seine Fortsetzung, denn Patta saß im Profil und präsentierte seine wahrhaft römische Imperator-Nase. Als er den Kopf zu Brunetti umwandte, wich das Kaiserliche etwas eher Schweinsähnlichem, was daher kam, dass Pattas Augen mit der Zeit immer tiefer in dem ewig gebräunten Gesicht verschwanden.
    »Sie wollten mich sprechen, Vice-Questore?« fragte Brunetti in neutralem Ton.
    »Sind Sie verrückt geworden; Brunetti?« fragte Patta ohne Einleitung.
    »Sollte ich erfahren, dass meine Frau irgendwelchen Kummer hat, und nichts dagegen tun, dann wäre ich es wohl«, versetzte Brunetti, aber nur im Geiste. Laut fragte er: »Inwiefern, Vice-Questore?«
    »Diese Beförderungs- und Belobigungsvorschläge hier«, sagte Patta und ließ die Hand schwer auf eine Mappe fallen, die geschlossen vor ihm lag. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen schlimmeren Fall von Voreingenommenheit und Günstlingswirtschaft gesehen.«
    Da Patta aus Sizilien stammte, musste er von beidem mehr als genug gesehen haben, dachte Brunetti, sagte aber nur: »Ich glaube, das verstehe ich nicht ganz.«
    »Und ob Sie verstehen. Sie haben ausschließlich Venezianer empfohlen: Vianello, Pucetti und diesen, wie heißt er noch?« sagte er und schlug die Mappe auf. Er überflog die erste Seite, drehte sie um und begann die zweite zu lesen. Plötzlich stieß er mit dem Zeigefinger auf eine Stelle. »Hier. Bonsuan. Mein Gott, wie sollen wir denn einen Bootsführer befördern?«
    »Wie wir jeden anderen befördern, denke ich. Wir verleihen ihm einen höheren Dienstgrad und geben ihm das damit verbundene höhere Gehalt.«
    »Und wofür?« fragte Patta ironisch, während er erneut auf die Unterlagen sah. »Für hervorragende Tapferkeit bei der Verfolgung eines flüchtigen Verbrechers«, las er mit hohntriefender Stimme. »Sie wollen ihn befördern, weil er mit seinem Boot hinter jemandem hergejagt ist?« Patta hielt inne, und als Brunetti nichts sagte, fügte er noch sarkastischer hinzu: »Und dann haben sie den Flüchtigen nicht einmal gefasst, oder?«
    Brunetti konnte zuerst nur schweigen, und als er dann antwortete, war seine Stimme so ruhig, wie Pattas Stimme es nicht gewesen war. »Nein, Vice-Questore, nicht weil Bonsuan mit seinem Boot hinter jemandem hergejagt ist. Sondern weil er, obwohl er von dem anderen Boot aus beschossen wurde, angehalten hat und ins Wasser gesprungen ist, um einen angeschossenen Kollegen zu retten.«
    »Es war ja keine ernsthafte Verletzung«, sagte Patta.
    »Ich weiß nicht, ob Bonsuan darüber nachgedacht hat, Vice-Questore, als er den anderen im Wasser sah.«
    »Jedenfalls ist das unmöglich. Wir können nicht einen Mann befördern, der nur Bootsführer ist.«
    Brunetti schwieg.
    »Was Vianello angeht, da könnte man vielleicht zustimmen«, räumte, Patta mißmutig ein. Vianello war eines Samstags früh bei Standa gewesen, als ein messerbewehrter Mann hereinstürmte, die Kassiererin von ihrem Platz drängte und anfing, die Kasse auszuräumen. Der Sergente, der eigentlich nur eine Sonnenbrille kaufen wollte, duckte sich hinter den Kassentisch, und als der Mann zur Tür laufen wollte, stürzte er sich auf ihn, entwaffnete ihn und nahm ihn fest.
    »Und Pucetti können wir gleich vergessen«, sagte Patta zornig. Vor sechs Wochen war Pucetti, ein begeisterter Radfahrer, in den Bergen nördlich Vicenza von einem Autofahrer, der sich später als

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