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Brunetti 07 - Nobiltà

Brunetti 07 - Nobiltà

Titel: Brunetti 07 - Nobiltà Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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du es glaubst oder nicht, aber Paola würde niemals auch nur ein Wort gegen dich sagen, weder zu mir noch zu sonst jemandem.«
    »Woher bist du dann so sicher, dass sie unglücklich ist?« Brunetti war bemüht, sich bei dieser Frage seinen Ärger nicht anmerken zu lassen.
    Der Conte griff abwesend nach einem Stückchen Brot, das links neben seinem Teller lag, und begann es zu zerkrümeln. »Paolas Geburt war für Donatella sehr schwer, und sie war danach lange krank, so dass es teilweise mir zufiel, das Kind zu versorgen.« Er sah Brunettis Verblüffung und lachte laut heraus. »Ich weiß, ich weiß. Man kann sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, wie ich ein Baby füttere oder ihm die Windeln wechsle, aber ich habe das in den ersten paar Monaten gemacht, und als Donatella wieder nach Hause kam, war ich so daran gewöhnt, dass ich es auch weiter gemacht habe. Wenn du ein Jahr lang ein Kleinkind gefüttert und gewickelt und in den Schlaf gesungen hast, dann weißt du, wann es glücklich oder traurig ist.« Bevor Brunetti etwas einwenden konnte, fuhr der Conte fort: »Und es spielt keine Rolle, ob das Kind vier Monate oder vierzig Jahre alt ist oder ob die Ursache eine Kolik oder ein Eheproblem ist. Du weißt es einfach. Darum weiß ich, dass sie nicht glücklich ist.«
    Hier gab Brunetti nun alle Unschulds- oder Unwissenheitsbeteuerungen auf. Er hatte Selbst Windeln gewechselt und so manche Nacht die Kinder auf dem Schoß gehabt und ihnen vorgelesen, wenn sie weinten oder nicht einschlafen konnten, und er war immer der Meinung gewesen, dass diese Nächte ihm mehr als alles übrige eine Art Radar mitgegeben hatten, der - er wusste kein anderes Wort als sein Schwiegervater dafür - auf ihr Lebensgefühl reagierte.
    »Ich weiß nicht, wie ich meine Arbeit sonst tun soll«, sagte er schließlich in einem Ton, in dem kein Ärger mehr mitschwang.
    Der Conte sprach weiter: »Ich wollte dich immer schon einmal fragen, warum dir das so wichtig ist?«
    »Warum mir was wichtig ist? Den, der ein Verbrechen begangen hat, hinter Schloss und Riegel zu bringen?«
    Der Conte tat das mit einer Handbewegung ab. »Nein, ich glaube, das ist dir gar nicht so wichtig. Warum musst du dafür Sorge tragen, dass Gerechtigkeit geschieht?«
    In diesem Augenblick erschien Valeria an ihrem Tisch, aber keiner der beiden Männer hatte Appetit auf ein Dessert. Der Conte bestellte, zwei Grappa und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Brunetti zu.
    »Du hast doch die alten Griechen gelesen, oder?« fragte Brunetti endlich.
    »Einige.«
    »Kritias?«
    »Das ist so lange her, dass ich nur noch ganz verschwommen weiß, was er geschrieben hat. Warum?«
    Valeria kam, stellte ihnen die Gläser hin und entfernte sich wortlos.
    Brunetti nahm sein Glas und nippte daran. »Ich kann ihn nur dem Sinn nach zitieren, aber irgendwo sagt er, dass die Gesetze des Staates sich der offen verübten Verbrechen annehmen und dass wir darum die Gottesfurcht brauchen, um darauf vertrauen zu können, dass göttliche Gerechtigkeit sich der heimlichen Verbrechen annimmt.« Er hielt inne und trank noch einen Schluck. »Aber die Gottesfurcht haben wir nicht mehr, nicht wahr? Jedenfalls keine wirkliche?« Der Conte schüttelte den Kopf. »Dann geht es mir vielleicht also darum, auch wenn ich darüber nie gesprochen oder überhaupt nur nachgedacht habe. Wenn göttliche Gerechtigkeit sich nicht mehr der heimlichen Verbrechen annimmt, dann ist es wichtig, dass irgend jemand das tut.«
    »Was verstehst du unter heimlichen Verbrechen? Im Unterschied zu offen verübten Verbrechen, meine ich.«
    »Jemandem einen schlechten Rat geben, um hinterher von seinem Fehler zu profitieren. Lügen. Vertrauen missbrauchen«
    »Das muss alles nicht ungesetzlich sein«, erwiderte der Conte.
    Brunetti schüttelte den Kopf. »Darum geht es nicht. Gerade deswegen komme ich ja darauf.« Er dachte kurz nach, bevor er weitersprach. »Vielleicht liefern die Politiker mir bessere Beispiele: Freunden Aufträge zuschustern, Regierungsentscheidungen nach persönlichen Wünschen treffen, Familienmitgliedern Posten verschaffen.«
    Der Conte unterbrach ihn. »Du meinst die ganz normalen Praktiken in der italienischen Politik?«
    Brunetti antwortete mit einem müden Nicken.
    »Aber du kannst diese Dinge nicht einfach für illegal erklären und anfangen, die Leute dafür zu bestrafen, oder?« Der Conte sah Brunetti fragend an.
    »Nein. Ich glaube, ich will damit sagen, dass ich darin aufgehe, den zu finden, der für

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