Brunetti 07 - Nobiltà
Böses verantwortlich ist, nicht nur für Ungesetzliches, oder ich denke ständig über den Unterschied nach Und finde, dass beides Unrecht ist.«
»Und deine Frau hat darunter zu leiden. Womit wir wieder bei meinem ursprünglichen Thema wären.« Der Conte griff über den Tisch und legte die Hand auf Brunettis Arm. »Ich weiß, wie kränkend du das finden musst Aber sie ist mein Kind und wird es immer bleiben, darum wollte ich mit dir darüber sprechen. Bevor sie es tut.«
»Ich weiß nicht, ob ich dir dafür danken kann«, gestand Brunetti.
»Das spielt keine wesentliche Rolle. Meine einzige Sorge ist Paolas Glück.« Der Conte hielt inne und wägte seine nächsten Worte ab. »Und - auch wenn es dir schwerfallen mag, das zu glauben, Guido - das deine ebenso.« Brunetti nickte nur, denn er war plötzlich zu bewegt, um etwas sagen zu können. Der Conte sah das, winkte Valeria und machte eine schreibende Bewegung. Als er sich wieder Brunetti zuwandte, fragte er in völlig normalem Ton: »Und, wie fandest du das Essen hier?«
Brunetti antwortete im selben Ton: »Ausgezeichnet. Dein Freund kann stolz auf seine Tochter sein. Und du auf deine.«
»Das bin ich auch«, erklärte der Conte schlicht.
»Danke. Das wusste ich gar nicht.« Brunetti hatte geglaubt, es würde ihm schwerfallen, das zu sagen, aber die Worte waren ihm ganz leicht und schmerzlos über die Lippen gekommen.
»Ja, das dachte ich mir.«
9
Brunetti war erst nach drei Uhr wieder in der Questura. Als er eintrat, kam Pucetti aus dem kleinen Büro bei der Tür, allerdings nicht, um Brunetti seinen Mantel zu geben; der war nirgends zu sehen.
»Hat ihn einer geklaut?« fragte Brunetti lächelnd, wobei er mit dem Kopf zum Ufficio Stranieri deutete, vor dem jetzt keine Schlange mehr stand, da es seit 12 Uhr 30 geschlossen hatte.
»Das nicht, Commissario. Aber der Vice-Questore hat uns wissen lassen, dass er Sie zu sehen wünscht, wenn Sie vom Essen kommen.« Selbst die Übermittlung durch jemanden, der Brunetti so wohlgesonnen war wie Pucetti, konnte den Unwillen aus Pattas Anweisung nicht herausfiltern.
»Ist er denn selbst schon vom Essen zurück?«
»Ja, Commissario. Seit zehn Minuten. Er wollte wissen, wo Sie sind.« Man musste kein Fachmann für Geheimsprachen sein, um den in der Questura üblichen Code zu entschlüsseln: Hinter Pattas Frage steckte mehr als nur seine normale Unzufriedenheit mit Brunetti.
»Ich gehe gleich zu ihm«, sagte Brunetti und wandte sich zum Hauptaufgang.
»Ihr Mantel hängt im Schrank in Ihrem Zimmer, Commissario«, rief Pucetti ihm nach, und Brunetti hob dankend die Hand.
Signorina Elettra saß an ihrem Schreibtisch in Pattas Vorzimmer. Als Brunetti hereinkam, sah sie von der Zeitung auf, die offen vor ihr lag, und sagte: »Der Autopsiebericht liegt auf Ihrem Schreibtisch.« Obwohl er neugierig darauf war, fragte er nicht nach dem Ergebnis, das sie bestimmt schon gelesen hatte. Wenn er es nicht kannte, brauchte er Patta schon nichts davon mitzuteilen. Er erkannte die hellorangefarbenen Seiten der Finanzzeitung Il Sole Ventiquattro Ore. »Arbeiten Sie an der Mehrung Ihres Vermögens?« fragte er. »So könnte man es nennen.« »Und was heißt das genau?« »Eine Firma, in die ich investiert habe, will in Tadschikistan eine pharmazeutische Fabrik eröffnen. Hier in der Zeitung ist ein Artikel über künftige Märkte in der früheren Sowjetunion, und ich wollte mir ein Bild davon machen, ob ich denen mein Geld lassen oder es abziehen soll.« »Und?«
»Ich finde, es stinkt zum Himmel«, antwortete sie und schlug die Zeitung energisch zu.
»Warum?«
»Weil diese Leute sich offenbar kopfüber aus dem Mittelalter in den Kapitalismus hineingestürzt haben. Vor fünf Jahren mussten sie noch Kartoffeln gegen Hämmer tauschen, und jetzt sind sie alle Geschäftsleute mit Handy und BMW. Nach allem, was man so liest, haben sie die Moral von Giftschlangen. Ich glaube, mit denen will ich lieber nichts zu tun haben.«
»Zu riskant?«
»Im Gegenteil«, erklärte sie ruhig. »Ich glaube sogar, das wird ein sehr profitables Geschäft, aber ich möchte mein Geld lieber nicht in der Hand von Leuten wissen, die mit allem handeln, alles kaufen und verkaufen und vor nichts zurückschrecken, nur um Profit zu machen.«
»Wie die Bank?« fragte Brunetti. Signorina Elettra war erst vor ein paar Jahren in die Questura gekommen.
Sie musste ihre Stelle als Sekretärin des Direktors der Banca d'Italia aufgeben, weil sie sich geweigert
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