Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
lieben.«
»Aha«, sagte sie, aber alles Weitere wurde durch das Zischen der Kaffeemaschine abgeschnitten. Paola schenkte ihnen Kaffee ein, goß dampfende Milch dazu und rührte Zucker in beide Tassen. Er setzte sich nicht, sondern trank seinen Kaffee im Stehen.
»Wie geht es nun weiter?« fragte sie nach dem ersten Schluck.
»Da es deine erste Straftat ist, gibt es wahrscheinlich eine Geldstrafe.«
»Ist das alles?«
»Es genügt ja«, sagte Brunetti.
»Und was ist mit dir?«
»Hängt davon ab, was die Zeitungen daraus machen. Ich wüßte ein paar Journalisten, die auf so etwas schon Jahre warten.«
Bevor er die denkbaren Schlagzeilen zitieren konnte, sagte sie: »Ich weiß, ich weiß«, und er konnte es ihnen beiden ersparen.
»Aber es könnte auch sein, daß sie dich zur Heldin stempeln, zur Rosa Luxemburg der Sexindustrie.«
Sie lächelten beide, enthielten sich aber jeder Ironie.
»Das ist es nicht, worauf es mir ankommt, Guido. Das weißt du ja.« Aber bevor er fragen konnte, worauf es ihr denn ankomme, sagte sie schon: »Ich will erreichen, daß die damit Schluß machen. Sie sollen sich für ihr Tun so schämen, daß sie damit aufhören.«
»Wer, die Reisebüros?«
»Ja, genau die«, sagte sie und widmete sich für ein paar Augenblicke ihrem Kaffee. Dann stellte sie ihre fast leere Tasse hin und sagte: »Aber ich will, daß sich alle für ihr Tun schämen.«
»Die Männer, die als Sextouristen reisen?«
»Ja, die auch. Alle.«
»Daraus wird nichts, Paola, da kannst du machen, was du willst.«
»Ich weiß.« Sie trank ihre Tasse vollends leer und stand auf, um neuen Kaffee zu machen.
»Laß nur«, sagte Brunetti. »Ich trinke unterwegs noch einen.«
»Es ist noch früh.«
»Irgendeine Bar hat immer offen«, sagte er.
»Stimmt.«
Und richtig, er fand eine Bar und ging auf einen Kaffee hinein, wobei er sich Zeit ließ, um seine Ankunft in der Questura hinauszuzögern. Er kaufte den Gazzettino, obwohl er wußte, daß da frühestens morgen etwas drinstehen konnte. Trotzdem studierte er die erste Seite des ersten Teils, dann des zweiten, der den lokalen Ereignissen gewidmet war, aber er fand nichts.
Am Eingang zur Questura stand jetzt ein anderer Polizist. Da es noch nicht acht war, mußte er für Brunetti die Tür aufschließen und salutierte, als dieser vorbeiging.
»Ist Vianello schon da?« fragte Brunetti.
»Nein, Commissario, ich habe ihn noch nicht gesehen.«
»Wenn er kommt, sagen Sie ihm bitte, er soll zu mir heraufkommen.«
»Jawohl, Commissario«, sagte der Mann und salutierte noch einmal.
Brunetti nahm die Hintertreppe. Dort begegnete ihm Marinoni, die frisch aus dem Mutterschaftsurlaub zurückgekehrte Kollegin, aber sie sagte nur, sie habe das von dem Mann in Treviso gehört und bedauere es sehr.
In seinem Zimmer hängte Brunetti den Mantel fort, setzte sich an den Schreibtisch und nahm sich noch einmal die Zeitung vor. Das Übliche: Behördenvertreter ermittelten gegen andere Behördenvertreter, ehemalige Minister beschuldigten andere ehemalige Minister, in der albanischen Hauptstadt gab es Aufruhr, und der Gesundheitsminister forderte Untersuchungen gegen die illegale Herstellung gefälschter Pharmaprodukte für die dritte Welt.
Er blätterte im zweiten Teil und fand dort auf Seite drei den Bericht über den Tod der Signora Iacovantuono. »Casalinga muore cadendo per le scale« (Hausfrau tödlich die Treppe hinuntergestürzt). Aber ja doch.
Das hatte er alles schon gestern gehört: Sie war gestürzt, der Nachbar hatte sie am Fuß der Treppe gefunden, die Sanitäter hatten sie für tot erklärt. Die Beerdigung war für morgen angesetzt.
Er war gerade mit dem Artikel fertig, als Vianello anklopfte und eintrat. Brunetti brauchte nur schon sein Gesicht zu sehen. »Was erzählt man sich?« fragte er.
»Landi hat gleich zu reden angefangen, aber Ruberti und Bellini haben kein Wort gesagt. Und die Zeitungen haben noch nicht angerufen.«
»Scarpa?« fragte Brunetti.
»Der ist noch nicht da.«
»Was erzählt Landi denn?«
»Daß er Ihre Frau letzte Nacht hierhergebracht hat, nachdem sie auf dem Campo Manin das Schaufenster eines Reisebüros eingeworfen hatte. Und daß dann Sie gekommen sind und sie mit nach Hause genommen haben, ohne die entsprechenden Formulare auszufüllen. Er bläst sich zum Rechtsgelehrten auf und behauptet, eigentlich sei sie als flüchtig anzusehen.«
Brunetti faltete die Zeitung einmal zusammen, dann noch einmal. Er erinnerte sich, daß er zu Pucetti
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