Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
mir dieser Meinung sind, können wir fortfahren. Wenn nicht, dann vergeude ich hier leider meine Zeit.«
»Ich weiß immer noch nicht genau, worüber ich mit Ihnen einer Meinung sein soll, Dottor Mitri.«
»Ich möchte Ihre Zustimmung dazu haben, daß Ihre Frau mir den Schaden an der Fensterscheibe und den Verdienstausfall während der Reparaturarbeiten ersetzt.«
»Dem kann ich nicht zustimmen«, sagte Brunetti.
»Und warum nicht?« erkundigte sich Mitri recht ungehalten.
»Weil es nicht meine Sache ist. Wenn Sie mit meiner Frau darüber reden wollen, steht Ihnen das gewiß frei. Aber ich kann keine Entscheidung, schon gar nicht eine solche, für sie treffen.« Brunetti fand, daß sein Ton so vernünftig war wie das, was er sagte.
»Was sind Sie denn für ein Mann?« fragte Mitri ärgerlich.
Brunetti wandte sich an Patta. »Kann ich Ihnen sonst noch in irgendeiner Weise behilflich sein, Vice-Questore?« Patta schien zu überrascht oder zu wütend, um zu antworten, also stand Brunetti auf und verließ rasch das Zimmer.
8
A uf Signorina Elettras fragend hochgezogene Augenbrauen und ihren gespitzten Mund hin schüttelte Brunetti nur kurz den Kopf, was heißen sollte, daß er es ihr später erklären werde. Er ging wieder in sein Zimmer hinauf und machte sich dabei Gedanken über die wahre Bedeutung dessen, was sich da eben abgespielt hatte.
Mitri, der sich seiner Freundschaft zu Patta rühmte, hatte zweifellos ausreichenden Einfluß, um eine Meldung von solch potentieller Brisanz aus den Zeitungen herauszuhalten. Die Geschichte enthielt einfach alles, was ein Reporter sich nur wünschen konnte: Sex, Gewalt, Verstrickung der Polizei. Und wenn sie auch noch dahinterkämen, wie Paolas erster Anschlag vertuscht worden war, würde das ihren Lesern noch mehr Vergnügen bereiten - Korruption und Amtsmißbrauch bei der Polizei.
Welcher Redakteur würde sich so etwas entgehen lassen? Welche Zeitung konnte sich den Spaß versagen, so eine Geschichte zu drucken? Obendrein war Paola die Tochter des Conte Orazio Falier, eines der bekanntesten und wohlhabendsten Männer der Stadt. Das Ganze war für die Presse ein derart gefundenes Fressen, daß es die Zeitung, die sich das entgehen lassen würde, einfach nicht gab.
Das hieß, es mußte für den Redakteur oder die Redakteure, die keinen Gebrauch davon machten, höherer Lohn winken. Oder, ergänzte er nach kurzem Nachdenken, für die Behördenvertreter, denen es gelang, die Sache aus den Zeitungen herauszuhalten. Es bestand auch noch die Möglichkeit, daß eine Nachrichtensperre verhängt worden war, bemäntelt mit Staatsraison, so daß die Presse gar nicht erst herankam. Brunetti hatte nicht den Eindruck, daß Mitri derart große Macht besaß, aber er mußte sich entgegenhalten, daß man so etwas nicht immer sah. Er dachte an einen ehemaligen Politiker, dem zur Zeit wegen seiner Beziehungen zur Mafia der Prozeß gemacht wurde, ein Mann, dessen Erscheinung jahrzehntelang Zielscheibe der Karikaturisten gewesen war. Normalerweise brachte man einen Mann von solch biederem Äußeren nicht mit großer Macht in Verbindung, aber Brunetti zweifelte keine Sekunde daran, daß ein Blick dieser hellgrünen Augen jeden vernichten konnte, der ihm auch nur im mindesten in die Quere kam.
Brunettis Behauptung, er könne nicht an Paolas Stelle entscheiden, war aus dem Mut der Verzweiflung geboren gewesen, aber bei nüchternem Nachdenken sah er mehr und mehr, daß es ihm auch Ernst damit war.
Mitri war mit einem Anwalt bei Patta erschienen, den Brunetti zumindest seinem Ruf nach kannte. Er erinnerte sich dunkel, daß Zambino sich normalerweise mit Handelsrecht befaßte und vorwiegend für große Firmen auf dem Festland tätig war. Der Mann wohnte vielleicht in Venedig, aber es gab hier so wenige Unternehmen, daß Zambino zumindest beruflich gezwungen war, der Arbeit aufs Festland zu folgen.
Wieso brachte einer einen Wirtschaftsanwalt mit zur Polizei? Warum befaßte man ihn mit einer Sache, die eher strafrechtlicher Natur war oder werden konnte? Zambino stand, soviel Brunetti wußte, in dem Ruf, ein einflußreicher Mann zu sein, nicht ohne Feinde, und dennoch hatte er die ganze Zeit, die Brunetti in Pattas Zimmer gewesen war, kein einziges Wort gesprochen.
Er rief unten an und bat Vianello zu sich herauf. Als der Sergente einige Minuten später hereinkam, winkte Brunetti ihn zu einem Stuhl. »Was wissen Sie über einen gewissen Dottor Paolo Mitri und Avvocato Giuliano
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