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Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti

Titel: Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Rialto-Brücke wandten sie sich beide nach links, dann rechts in den Durchgang an der Ruga degli Orefici. Ein Stückchen weiter vorn machte gerade eine Bar auf, und in stiller Übereinkunft gingen sie beide hinein. Ein großer Stapel mit frischen Brioches lag auf dem Tresen, noch im weißen Papier der pasticceria. Brunetti bestellte zweimal Espresso, ignorierte jedoch das Gebäck. Paola bemerkte es nicht einmal.
    Als der Barmann ihnen den Kaffee hinstellte, löffelte Brunetti Zucker in beide Tassen und schob Paola die ihre hin. Der Barmann ging ans Ende des Tresens und begann die Brioches einzeln in einen Glaskasten zu räumen.
    »Nun?« fragte Brunetti.
    Paola nippte an ihrem Kaffee, tat noch einen halben Löffel Zucker hinein und sagte: »Ich habe dir doch gesagt, daß ich es tun würde.«
    »Für mich klang das aber nicht so.«
    »Wie klang es denn für dich?«
    »Als ob du sagen wolltest, alle sollten das tun.«
    »Es sollten auch alle tun«, sagte Paola, aber aus ihrem Ton war nicht mehr diese Wut herauszuhören, die beim erstenmal in ihren Worten gelegen hatte.
    »Ich hätte nicht gedacht, daß du das damit gemeint hast.« Brunettis Geste bezog sich nicht auf die Bar, sondern auf alles, was passiert war, bevor sie hierherkamen.
    Paola stellte ihre Tasse ab und sah ihm zum erstenmal voll ins Gesicht. »Können wir reden, Guido?«
    Er war nahe daran, zu sagen, das täten sie doch schon, aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, was sie meinte, und nickte statt dessen.
    »Ich habe dir vor drei Tagen gesagt, was die machen.« Bevor er etwas einwerfen konnte, sprach sie weiter: »Und du hast mir erklärt, es sei nichts Verbotenes dabei, sie hätten als Reiseunternehmer dieses Recht.«
    Brunetti nickte, und als der Barmann sich näherte, gab er ihm ein Zeichen, noch einmal Kaffee zu bringen. Nachdem der Mann wieder zu seiner Maschine gegangen war, fuhr Paola fort: »Aber es ist unrecht. Das weißt du, das weiß ich. Es ist widerwärtig, Sexreisen zu organisieren, damit reiche - und weniger reiche - Männer nach Thailand und auf die Philippinen fliegen und Zehnjährige vergewaltigen können.« Bevor er etwas einwenden konnte, hob sie abwehrend die Hand. »Ich weiß, daß es inzwischen verboten ist. Aber wurde schon jemand verhaftet? Verurteilt? Du weißt so gut wie ich, daß sie nur die Wortwahl in ihren Anzeigen ändern müssen, und alles geht weiter seinen Gang. ›Tolerante Hotelrezeption. Freundliche einheimische Begleitung.‹ Erzähl mir nicht, du wüßtest nicht, was das heißt. Das Geschäft geht ganz normal weiter, Guido. Und es widert mich an.«
    Brunetti sagte immer noch nichts. Der Barmann brachte ihnen zwei frische Tassen Kaffee und nahm die alten mit. Die Tür ging auf, und zwei vierschrötige Männer kamen mit einer Wolke feuchter Luft in die Bar. Der Barmann ging zu ihnen.
    »Ich habe dir gesagt«, nahm Paola ihre Rede wieder auf, »daß es unrecht ist und man ihnen das Handwerk legen muß.«
    »Und du glaubst, du kannst das?« fragte er.
    »Ja«, antwortete sie, und ehe er nachfragen oder ihr widersprechen konnte, fuhr sie fort: »Nicht ich allein, nicht hier in Venedig, indem ich einem Reisebüro auf dem Campo Manin das Schaufenster einwerfe. Aber wenn alle Frauen Italiens nachts mit Steinen auf die Straße gingen, um allen Reisebüros, die Sexreisen anbieten, die Schaufenster einzuwerfen, dann würden sehr bald in Italien keine Sexreisen mehr organisiert, oder?«
    »Ist das eine rhetorische oder eine ernstgemeinte Frage?« erkundigte er sich.
    »Ich glaube, sie ist ernst gemeint«, sagte sie. Diesmal tat Paola den Zucker in ihre Tassen.
    Brunetti trank seinen Kaffee, bevor er etwas sagte. »Du kannst das nicht machen, Paola. Du kannst nicht hingehen und allen Büros oder Läden die Fenster einwerfen, die etwas tun, was sie deiner Meinung nach nicht tun sollten, oder etwas verkaufen, was sie deiner Ansicht nach nicht verkaufen sollten.« Bevor sie etwas erwidern konnte, fragte er: »Weißt du noch, wie die Kirche den Verkauf von Verhütungsmitteln verbieten wollte? Und wie du da reagiert hast? Falls nicht, ich weiß es noch sehr gut. Es war genau das gleiche: auf zum Kreuzzug gegen etwas, das du als böse erkannt hattest. Nur warst du damals auf der anderen Seite, gegen die Leute, die genau das taten, wozu jetzt du ein Recht zu haben glaubst, nämlich andere von etwas abzuhalten, was ihrer Meinung nach unrecht war. Nicht nur das Recht, sondern sogar die moralische Pflicht.« Er merkte, wie er immer

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