Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
Nachbarn das Haus anzünden, und kein Richter und kein Geschworener würde einen verurteilen, solange man nur behauptete, man habe es aus steuerlichen Gründen getan. »War Dottor Mitri an dieser Fabrik in irgendeiner Weise beteiligt?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Was ist das für eine Fabrik, wenn ich fragen darf?«
Bonaventura empfand die Frage offenbar nicht als seltsam. »Natürlich dürfen Sie fragen. Pharmazeutische Produkte. Aspirin, Insulin, viele homöopathische Mittel.«
»Und Sie sind Pharmazeut und leiten das Ganze?«
Bonaventura zögerte, bevor er antwortete: »Nein. Ich bin nur Geschäftsmann. Ich rechne Zahlenreihen zusammen, höre den Wissenschaftlern zu, die das Zeug zusammenbrauen, und denke mir erfolgreiche Marktstrategien aus.«
»Man braucht also keine pharmakologische Ausbildung?« fragte Brunetti, denn er dachte an Mitri, der Pharmazeut gewesen war.
»Nein. Da geht es nur um geschäftliche Entscheidungen. Das Produkt ist nebensächlich: Schuhe, Schiffe, Siegelwachs.«
»Verstehe«, sagte Brunetti. »Ihr Schwager war aber Pharmazeut, nicht wahr?«
»Ich glaube, ja, ursprünglich, am Anfang seiner Karriere.«
»Aber dann nicht mehr?«
»Er hat seit Jahren nicht mehr in diesem Metier gearbeitet.«
»Was hat er denn dann in seinen Fabriken gemacht?« Brunetti fragte sich, ob Mitri wohl auch dem Glauben an Marktstrategien verfallen war.
Bonaventura stand auf. »Entschuldigen Sie, daß ich unhöflich sein muß, Commissario, aber ich habe hier noch zu tun, und das sind Fragen, die ich wirklich nicht beantworten kann. Ich denke, Sie sollten sich lieber mit den Direktoren von Paolos Fabriken in Verbindung setzen. Ich weiß wirklich nichts über seine Geschäfte oder wie er seine Firmen geführt hat. Tut mir leid.«
Brunetti stand ebenfalls auf. Es klang alles plausibel.
Daß Mitri von Haus aus Pharmazeut war, mußte ja nicht unbedingt heißen, daß er den Alltagsbetrieb seiner Fabriken leitete. In der vielgesichtigen Geschäftswelt von heute brauchte niemand mehr etwas von dem zu verstehen, was seine Firma machte, um sie zu leiten. Denk an Patta, sagte er sich, dann weißt du, wie wahr das ist. »Ich danke Ihnen, daß Sie mir Ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben«, sagte er und gab Bonaventura die Hand. Dieser begleitete ihn noch zur Tür, und Brunetti ging zur Questura zurück, wobei er den Weg durch die Gassen von Cannaregio wählte, für ihn das schönste Viertel der Stadt. Was wiederum für ihn gleichbedeutend war mit dem schönsten der Welt.
Als er ankam, waren die meisten Mitarbeiter der Questura schon in die Mittagspause gegangen, und er begnügte sich damit, eine Notiz auf Signorina Elettras Schreibtisch zu legen, in der er sie bat, soviel wie möglich über Alessandro Bonaventura herauszufinden, Mitris Schwager. Als er sich aufrichtete und sich die Freiheit nahm, die obere Schublade ihres Schreibtischs zu öffnen, um den Stift zurückzulegen, den er benutzt hatte, kam ihm der Gedanke, daß er ihr diese Nachricht gern als E-Mail hätte zukommen lassen. Er hatte keine Ahnung, wie das ging und was er dafür hätte tun müssen, trotzdem hätte er es gern getan, und sei es nur, um ihr zu zeigen, daß er auf technischem Gebiet nicht der Neandertaler war, für den sie ihn zu halten schien. Schließlich hatte Vianello es auch gelernt; er sah keinen Grund, warum er nicht computerkundig werden sollte. Immerhin hatte er ein abgeschlossenes Jurastudium; das mußte doch zu etwas gut sein.
Er betrachtete den Computer: kein Ton, keine fliegenden Toaster, der Bildschirm dunkel. Wie schwierig konnte das sein? Aber da kam ihm der rettende Gedanke: Vielleicht war er ja, wie Mitri, viel besser dafür geeignet, im Hintergrund die Fäden zusammenzuhalten als zu wissen, wie so eine Maschine funktionierte. Mit diesem Trostpflaster auf dem Gewissen ging er in die Bar bei der Brücke, um sich ein Tramezzino und ein Glas Wein zu genehmigen und darauf zu warten, daß die anderen vom Essen zurückkamen.
Das taten sie schließlich eher gegen vier als gegen drei Uhr, aber Brunetti machte sich über den Fleiß der Leute, mit denen er zusammenarbeitete, schon lange keine Illusionen mehr, und so störte es ihn auch nicht, eine gute Stunde still in seinem Zimmer zu sitzen und die Tageszeitung zu lesen, sogar sein Horoskop zu studieren, neugierig auf die blonde Fremde, der er demnächst begegnen sollte, und froh über die Mitteilung, daß er »bald eine gute Nachricht erhalten« werde. Die konnte er
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