Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
der Conte sich am anderen Ende meldete.
»Gut, daß du anrufst. Können wir reden?«
»Geht es um Paola?« fragte Brunetti.
»Nein, es geht um die andere Sache, um die ich mich auf deine Bitte hin kümmern sollte. Ich habe mit jemandem gesprochen, über den ich einiges an Bankgeschäften abwickle, und er hat mir gesagt, auf einem von Mitris Auslandskonten habe es bis vor einem Jahr große Bewegungen gegeben.« Bevor Brunetti etwas dazu sagen konnte, sprach der Conte weiter: »Es war von insgesamt fünf Millionen Franken die Rede.«
»Franken oder Francs?«
»Keine Francs«, sagte der Conte in einem Ton, der die französische Währung auf eine Stufe mit dem lettischen Lat stellte.
Brunetti fragte lieber nicht, wo oder wie sein Schwiegervater diese Information bekommen hatte, war aber klug genug, sich voll darauf zu verlassen. »Ist das sein einziges Konto?«
»Das einzige, über das ich etwas erfahren habe«, antwortete der Conte. »Aber ich habe noch ein paar Leute gefragt und kann dir im Lauf der Woche vielleicht mehr sagen.«
»Hat dein Informant gesagt, woher das Geld kam?«
»Die Einzahlungen kamen aus allerlei verschiedenen Ländern. Augenblick, ich sag's dir gleich; irgendwo habe ich sie mir doch notiert.« Der Telefonhörer wurde hingelegt, und Brunetti zog sich ein Blatt Papier heran. Er hörte Schritte sich entfernen, dann wiederkommen. »Hier sind sie«, begann der Conte. »Nigeria, Ägypten, Kenia, Bangladesch, Sri Lanka und Elfenbeinküste.« Es folgte eine längere Pause, nach der er fortfuhr: »Ich habe schon überlegt, was es bedeuten könnte: Drogen, Waffen, Frauen. Aber immer paßt es zu einem der Länder nicht.«
»Weil sie zum Beispiel zu arm sind«, meinte Brunetti.
»Genau. Aber von dort kam das Geld. Es gab auch noch Einzahlungen aus europäischen Ländern, viel kleinere Beträge, und ein paar aus Brasilien, aber die Masse kam aus den genannten Ländern. Das heißt, das Geld kam aus diesen Ländern in der jeweiligen Landeswährung, und ein Teil wurde dann dorthin zurücküberwiesen, aber in Dollar, immer in Dollar.«
»Aber in dieselben Länder?«
»Ja.«
»Wieviel ging denn zurück?«
»Das weiß ich nicht.« Bevor Brunetti nachhaken konnte, sagte der Conte: »Mehr wollte er mir nicht sagen. Mehr war er mir auch nicht schuldig.«
Brunetti verstand. Mehr gab es nicht zu holen, selbst wenn er noch so sehr nachhakte. »Danke«, sagte er.
»Was meinst du, was dahintersteckt?«
»Ich weiß es nicht. Darüber muß ich nachdenken.« Er beschloß, den Conte um weitere Hilfe zu bitten. »Ich muß noch jemanden ausfindig machen.«
»Wen?«
»Einen Mann namens Palmieri, einen Berufskiller; oder zumindest muß er so etwas Ähnliches sein.«
»Was hat das mit Paola zu tun?« wollte der Conte wissen.
»Er könnte mit dem Mord an Mitri zu tun haben.«
»Palmieri?«
»Ja, Ruggiero. Soviel ich weiß, kommt er ursprünglich aus Portogruaro. Aber nach unseren letzten Informationen könnte er sich in Padua aufhalten. Warum fragst du?«
»Ich kenne sehr viele Leute, Guido. Ich will mal sehen, was ich in Erfahrung bringen kann.«
Brunetti wollte dem Conte im ersten Moment schon sagen, er solle sich vorsehen, aber eine Stellung wie die des Conte erreichte niemand, der sich nicht Vorsicht zur Lebensgewohnheit gemacht hatte.
»Ich habe gestern mit Paola gesprochen«, sagte Falier. »Es scheint ihr ja gutzugehen.«
»Ja.« Brunetti merkte plötzlich, wie kleinlich das klang, und fügte rasch hinzu: »Wenn das stimmt, was ich allmählich vermute, hatte sie mit Mitris Tod überhaupt nichts zu tun.«
»Natürlich hatte sie nichts mit seinem Tod zu tun«, kam es sofort zurück. »Sie war an diesem Abend mit dir zusammen.«
Brunetti unterdrückte seine erste Reaktion und sagte ruhig: »Ich meine das in Paolas Sinne, nicht so, wie wir es verstehen - daß ihr Handeln jemanden zu diesem Mord angestachelt hat.«
»Selbst wenn es so wäre.«, begann der Conte, dann verlor er aber plötzlich das Interesse an der Erörterung dieser hypothetischen Möglichkeit und sagte in seinem normalen Ton: »Ich würde an deiner Stelle herauszufinden versuchen, was er mit diesen Ländern zu tun hatte.«
»Das werde ich.« Brunetti verabschiedete sich höflich und legte auf.
Kenia, Ägypten und Sri Lanka hatten alle Probleme mit blutigen Unruhen, aber nach allem, was Brunetti gelesen hatte, konnte er da keinen gemeinsamen Nenner erkennen, denn alle diese Gruppen und Grüppchen hatten völlig gegensätzliche Ziele.
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