Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
und der Freiheit, die einmal dahinter gelegen hatte; der andere lag verdreht unter ihm. Wo sein linkes Ohr hätte sein sollen, war nur ein rotes Loch zu sehen, die Austrittswunde von der zweiten Kugel aus der Waffe des Polizisten.
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B runetti war schon zu lange Polizist und hatte zu vieles schiefgehen sehen, um seine Zeit damit zu vertun, herausfinden zu wollen, was eigentlich passiert war, oder über einen anderen Plan nachzudenken, der vielleicht hätte klappen können. Aber die anderen waren jünger und hatten noch nicht die Erfahrung gemacht, daß man aus Mißerfolgen sehr wenig lernen konnte, darum hörte er ihnen eine Weile zu, nicht sehr aufmerksam, aber zu allem nickend, was sie sagten, während er auf die Leute von der Spurensicherung wartete.
Als dann der Polizist, der Palmieri erschossen hatte, sich auf den Boden legte, um zu zeigen, aus welchem Winkel er in die Wohnung gesprungen war, ging Brunetti ins Bad, feuchtete sein Taschentuch mit kaltem Wasser an und betupfte die kleine Wunde an seiner Wange, wo ein Holzsplitter von der zerschossenen Tür ihm ein hemdenknopfgroßes Stück Haut weggerissen hatte. Das Taschentuch noch an der Wange, öffnete er mit der anderen Hand das kleine Arzneischränkchen auf der Suche nach einem Stück Mull oder etwas Ähnlichem, womit er das Blut stillen konnte. Dabei stellte er fest, daß dieses Schränkchen voll war, aber nicht mit Verbandszeug.
Es hieß, daß Gäste gern in fremden Badezimmern im Arzneischrank stöberten; Brunetti hatte das noch nie getan. Er wunderte sich sehr über das, was er sah: drei Reihen mit allerlei Medikamenten, mindestens fünfzig Fläschchen und Schächtelchen unterschiedlichster Größe und Verpackung, alle jedoch mit dem Aufkleber und dem neunstelligen Zifferncode des Gesundheitsministeriums. Aber kein Verbandszeug. Er machte die Tür wieder zu und ging in das Zimmer zurück, in dem Palmieri lag.
Während Brunetti im Bad gewesen war, hatten sich auch die anderen Polizisten eingefunden, und die jüngeren standen jetzt zusammen an der Tür und spielten den Schußwechsel noch einmal durch, wobei Brunetti bei ihnen angewidert dieselbe Begeisterung beobachtete, mit der sie sich vielleicht ein Action-Video angesehen hätten. Die älteren hatten sich im Zimmer verteilt und standen dort schweigend herum. Brunetti ging zu della Corte. »Können wir mit der Durchsuchung anfangen?«
»Erst wenn die Spurensicherung da war, denke ich.«
Brunetti nickte. Es spielte ja im Grunde keine Rolle. Höchstens zeitlich, aber sie hatten die ganze Nacht zur Verfügung. Er wünschte sich nur, die Leute kämen bald, damit sie die Leiche abtransportieren konnten. Er vermied es, hinzusehen, aber während die Minuten vergingen und die jungen Leute allmählich aufhörten, die Geschichte ein ums andere Mal durchzukauen, wurde das immer schwieriger. Brunetti war gerade ans Fenster gegangen, als er Schritte im Treppenhaus hörte. Er drehte sich um und sah die vertrauten Uniformen: Techniker, Fotografen - die Lakaien des gewaltsamen Todes.
Er ging wieder ans Fenster und sah hinunter auf die Autos, die auf dem Parkplatz standen, und die wenigen, die um diese späte Stunde noch vorbeifuhren. Er hätte gern Paola angerufen, aber da sie ihn wohlbehalten im Bett irgendeines kleinen Hotels glaubte, ließ er es. Er drehte sich nicht um, als das Blitzlicht des Fotografen wiederholt aufflammte, auch nicht, als noch jemand eintraf, wahrscheinlich der medico legale. Hier gab es keine Geheimnisse.
Erst als er die beiden weißbekittelten Männer vom Leichenschauhaus ächzen und den Griff ihrer Tragbahre gegen den Türrahmen stoßen hörte, drehte er sich um. Er ging zu Bonino, der sich mit della Corte unterhielt, und fragte: »Können wir anfangen?«
Bonino nickte. »Ja, natürlich. Das einzige, was er bei sich trug, war eine Brieftasche mit über zwölf Millionen Lire in den neuen Fünfhunderttausenderscheinen.« Und bevor Brunetti nachfragen konnte, fügte er hinzu: »Die sind schon auf dem Weg ins Labor und werden auf Fingerabdrücke untersucht.«
»Gut«, sagte Brunetti, dann wandte er sich an della Corte und fragte: »Nehmen wir uns das Schlafzimmer vor?«
Della Corte nickte stumm, und sie gingen zusammen in das angrenzende Zimmer. Die übrige Wohnung überließen sie den hiesigen Kollegen.
Sie hatten noch nie zusammen ein Zimmer durchsucht, aber als hätten sie es so vereinbart, ging della Corte zum Schrank und begann, die Taschen der dort hängenden Hosen und Jacken zu
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