Brunetti 08 - In Sachen Signora Brunetti
durchsuchen.
Brunetti fing bei der Kommode an, ohne sich erst Plastikhandschuhe überzuziehen, nachdem er überall die Pulverreste der Spurensicherung sah. Er zog die erste Schublade auf und fand darin Palmieris Sachen zu seiner Überraschung ordentlich zusammengelegt. Warum hatte er eigentlich angenommen, ein Mörder müsse unordentlich sein?
Die Unterwäsche bildete zwei Stapel, die Socken waren zusammengerollt und anscheinend nach Farben sortiert.
In der nächsten Schublade waren Pullover und Sportkleidung, wie es aussah. Die unterste war leer. Er drückte sie mit dem Fuß wieder zu und drehte sich zu della Corte um. Im Schrank hingen nur wenige Sachen: ein wattierter Anorak, ein paar Jacketts und offenbar eine Hose, die noch in der Plastikhülle von der Reinigung steckte.
Auf der Kommode stand ein geschnitztes Holzkästchen, dessen Deckel die Techniker ungeöffnet gelassen hatten, denn ihr graues Pulver stob in einer Wolke davon auf, als Brunetti ihn hochklappte. In dem Kästchen lagen Papiere. Er nahm sie heraus und legte sie daneben.
Er begann sie gründlich durchzusehen und legte ein Blatt nach dem anderen auf die Seite, wenn er damit fertig war. Es waren Gas- und Stromrechnungen auf den Namen Michele de Luca - keine Telefonrechnung, aber das erklärte sich durch das auf der Kommode liegende Handy.
Zuunterst fand er einen Umschlag, der an »R. P.« adressiert und am sauber aufgeschlitzten oberen Rand schon ganz grau vom vielen Anfassen war. Darin steckte ein hellblaues Blatt Papier, darauf unter einem Datum von vor über fünf Jahren ein kurzer Brief in sauberer Handschrift: »Wir sehen uns morgen um acht im Restaurant. Mein Herzschlag wird mir Zeugnis ablegen, wie langsam die Minuten vergehen.« Unterschrieben war er nur mit einem M. Maria? spekulierte Brunetti. Mariella? Monica?
Er faltete den Brief zusammen, schob ihn wieder in den Umschlag und legte ihn auf die Rechnungen. Sonst war nichts in dem Kästchen.
Brunetti sah sich zu della Corte um. »Etwas gefunden?«
»Nur die hier«, antwortete della Corte und hielt einen großen Schlüsselbund hoch. »Zwei gehören zu einem Auto.«
»Einem Lieferwagen vielleicht?« meinte Brunetti.
Della Corte nickte. »Wir können ja mal rausgehen und nachsehen, was draußen so steht.«
Das Wohnzimmer war leer, allerdings sah Brunetti zwei Männer in der Kochnische, wo der Kühlschrank und alle Schränke offenstanden. Aus dem Bad drangen Licht und Geräusche, aber Brunetti glaubte nicht, daß sie dort etwas finden würden.
Er und della Corte begaben sich nach unten und gingen auf den Parkplatz. Bei einem Blick zurück sahen sie, daß im Haus viele Lichter brannten. Jemand öffnete jetzt in der Wohnung über Palmieri das Fenster und rief zu ihnen herunter: »Was ist denn los?«
»Polizei«, rief della Corte zurück. »Alles in Ordnung.«
Zuerst dachte Brunetti, der Mann da oben würde jetzt weitere Fragen stellen, eine Erklärung für die Schüsse verlangen, aber die italienische Angst vor der Obrigkeit gewann die Oberhand, er zog den Kopf zurück und schloß das Fenster.
Hinter dem Haus standen sieben Fahrzeuge, fünf Personen- und zwei Lieferwagen. Della Corte ging zum ersten, einem grauen Kastenwagen mit dem Firmennamen eines Spielzeuggeschäfts auf der Seite. Unter dem Namen ritt ein Teddybär auf einem Steckenpferd nach links davon. Keiner der Schlüssel paßte. Zwei Plätze weiter stand noch ein grauer Kastenwagen, ein Iveco ohne Firmennamen. Die Schlüssel paßten weder dazu noch zu einem der anderen Autos.
Als sie schon kehrtmachen und wieder ins Haus gehen wollten, sahen sie auf der anderen Seite des Parkplatzes eine Reihe von Garagentoren. Es dauerte eine Weile, bis sie alle Schlüssel an den ersten drei Toren ausprobiert hatten, aber am vierten ließ sich endlich einer ins Schloß stecken.
Delia Corte öffnete das Tor, und als sie den weißen Kastenwagen sahen, sagte er: »Ich glaube, wir rufen lieber die Jungs von der Spurensicherung zurück.«
Brunetti warf einen Blick auf seine Uhr und sah, daß es schon weit nach zwei war. Delia Corte verstand. Er probierte den ersten Schlüssel an der Fahrertür. Sie ließ sich ohne weiteres aufschließen, und er öffnete die Tür. Er nahm einen Kugelschreiber aus der Jackentasche und knipste damit das Licht über dem Fahrersitz an. Brunetti nahm ihm die Schlüssel aus der Hand und ging damit zur Beifahrertür. Er öffnete sie, suchte sich einen kleineren Schlüssel heraus und schloß damit das
Weitere Kostenlose Bücher