Brunetti 09 - Feine Freunde
möchte darüber nicht reden, Guido.«
»Schon gut«, lenkte Brunetti ein. »Tut mir leid, daß ich schon so lange nicht mehr angerufen habe.«
Mit der Unbeschwertheit langer Freundschaft meinte Luca: »Ich doch auch nicht, oder?«
»Macht ja nichts.«
»Nein, eigentlich macht es nichts«, stimmte Luca lachend zu, und seine alte Stimme war wieder da, ebenso der alte Husten.
Dadurch ermutigt, fragte Brunetti: »Wenn du irgendwas hörst, sagst du mir dann Bescheid?«
»Natürlich«, versprach Luca.
Bevor der andere auflegen konnte, fragte Brunetti rasch: »Weißt du sonst noch etwas über die Leute, von denen er das Zeug hat, und die, von denen die es haben?«
Lucas Stimme klang wieder vorsichtig, als er zurückfragte: »Woran denkst du denn dabei?«
»Nun, ob sie...« Er wußte nicht so genau, wie er das nennen sollte, was sie taten. »Ob sie auch in Venedig tätig sind.«
»Oje«, seufzte Luca. »Soweit ich weiß, ist da nicht viel für sie zu holen. Die Bevölkerung ist zu alt, und für die Jugendlichen ist es zu leicht, aufs Festland zu kommen und dort zu finden, was sie suchen.«
Brunetti war klar, daß er sich über diese Nachricht aus purem Egoismus freute: Welcher Mann mit zwei jugendlichen Kindern, und sei er sich ihrer Charakterfestigkeit noch so sicher, würde nicht mit Freude hören, daß es in seiner Stadt wenig Drogenhandel gab?
Sein Instinkt sagte ihm, daß er aus Luca alles herausgeholt hatte, was es herauszuholen gab. Die Namen der Leute zu kennen, die das Zeug verkauften, hätte ihm sowieso nicht viel genützt.
»Danke, Luca. Paß gut auf dich auf.«
»Du auch, Guido.«
Am Abend, als die Kinder im Bett waren, erzählte er Paola von Lucas Wutausbruch bei der Erwähnung seiner Frau. »Du hast ihn ja nie so gemocht wie ich«, sagte Brunetti, als ob das Lucas Benehmen irgendwie erklären oder entschuldigen könnte.
»Und was soll das heißen?« fragte Paola, aber ohne Schärfe.
Sie saßen auf dem Sofa, jeder an einem Ende, und hatten, als sie zu reden anfingen, ihre Bücher fortgelegt. Brunetti dachte über ihre Frage lange nach, bevor er antwortete: »Es soll wohl heißen, daß du sicher mehr Sympathien für Maria hast als für ihn.«
»Aber Luca hat recht«, sagte Paola, wobei sie zuerst den Kopf, dann den ganzen Körper ihm zuwandte. »Sie ist eine Kuh.«
»Ich dachte, du hättest sie gern.«
»Hab ich ja auch«, behauptete Paola mit Nachdruck. »Aber das heißt nicht, daß Luca nicht recht hat, wenn er sie eine Kuh nennt. Allerdings hat er sie erst dazu gemacht. Als sie heirateten, war sie Zahnärztin. Aber er wollte, daß sie zu arbeiten aufhört. Und nach Paolos Geburt hat er zu ihr gesagt, sie braucht nicht wieder arbeiten zu gehen, weil er mit seinen Clubs genug verdient, um sie alle gut zu ernähren. Da hat sie ihren Beruf an den Nagel gehängt.«
»Und?« unterbrach Brunetti sie. »Wieso ist er deswegen schuld daran, daß sie eine Kuh geworden ist?« Noch während er fragte, schoß es ihm durch den Kopf, wie beleidigend und widersinnig allein schon das Wort war.
»Weil er sie alle nach Jesolo verschleppt hat, von wo aus er seine Geschäfte besser überblicken konnte. Und sie ist mitgegangen.« Jetzt bekam Paolas Stimme etwas Hartnäckiges, wie beim Herunterbeten der Perlen eines uralten Rosenkranzes.
»Niemand hat ihr eine Pistole an den Kopf gehalten, Paola.«
»Natürlich hat ihr niemand eine Pistole an den Kopf gehalten, das war auch gar nicht nötig«, brauste sie auf. »Sie war verliebt.« Als sie seinen Blick sah, verbesserte sie sich: »Gut, gut, beide waren verliebt.« Sie schwieg kurz, dann fuhr sie fort: »Also verläßt sie Venedig und zieht nach Jesolo, in einen Strandort, ich bitte dich, um dort das Leben einer Hausfrau und Mutter zu führen!«
»Das sind beides keine unanständigen Wörter, Paola.«
Mochte ihr Blick auch Funken sprühen, sie bewahrte die Ruhe. »Ich weiß, daß es keine unanständigen Wörter sind. Das will ich auch gar nicht unterstellen. Aber sie hat einen Beruf aufgegeben, der ihr Spaß machte und in dem sie sehr gut war, und ist mitten ins Nirgendwo gezogen, um dort zwei Kinder aufzuziehen und einen Mann zu umsorgen, der zuviel trank und zuviel rauchte und mit zu vielen anderen Frauen herummachte.« Brunetti hütete sich, ausgerechnet in dieses Feuer auch noch Öl zu gießen. Er wartete, ob sie weitersprechen würde. Sie tat es.
»Und jetzt, nach über zwanzig Jahren da draußen, ist sie zur Kuh geworden. Sie ist fett und langweilig
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