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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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vorgenommen worden war. Und bis dahin war die Geschichte weg von den Titelseiten und vergessen, ersetzt durch die Fotos anderer junger Leute, die Opfer ihrer Jugend und deren vielfältiger Sehnsüchte geworden waren.
    Brunetti ließ die Zeitung auf seinem Schreibtisch liegen und ging hinunter in Pattas Vorzimmer. Signorina Elettra war nirgends zu sehen, also klopfte er an Pattas Tür, und als er dessen lautes avanti hörte, trat er ein.
    Es war ein anderer Mann, der da heute hinter dem Schreibtisch saß, ein anderer jedenfalls als der, den Brunetti letztes Mal dort hatte sitzen sehen. Patta war wieder der alte: groß, gutaussehend und mit einem leichten Sommeranzug bekleidet, der seine breiten Schultern respektvoll liebkoste. Seine Haut glomm vor Gesundheit, seine Augen strahlten vor heiterer Gelassenheit.
    »Ja, Commissario, was gibt's?« fragte er und sah von dem einzigen Blatt Papier auf, das vor ihm auf dem Tisch lag.
    »Ich wollte Sie gern sprechen, Vice-Questore«, sagte Brunetti im Vortreten, dann blieb er neben dem Stuhl vor Pattas Schreibtisch stehen und wartete auf die Aufforderung, Platz zu nehmen.
    Patta schob eine gestärkte Manschette zurück und warf einen Blick auf die dünne goldene Scheibe an seinem Handgelenk. »Ich habe nur ein paar Minuten. Worum geht es?«
    »Um Jesolo, Vice-Questore. Und Ihren Sohn. Haben Sie da schon eine Entscheidung getroffen?«
    Patta rutschte auf seinem Stuhl zurück. Als er sah, daß Brunetti ohne weiteres das auf dem Tisch liegende Papier lesen konnte, drehte er es rasch um und legte die gefalteten Hände auf die leere Rückseite. »Ich wüßte nicht, was es da zu entscheiden gäbe, Commissario«, sagte er, hörbar darüber verwundert, wie Brunetti nur auf so eine Frage kam.
    »Ich möchte wissen, ob Ihr Sohn bereit ist, über die Leute zu reden, von denen er die Drogen bekommen hat.« Aus gewohnheitsmäßiger Vorsicht verbot er es sich, »gekauft« zu sagen.
    »Wenn er wüßte, wer diese Leute sind, wäre er sicher nur zu gern bereit, der Polizei alles zu sagen, was er könnte.« Brunetti hörte in Pattas Stimme die gleiche gekränkte Ratlosigkeit wie schon bei einer ganzen Generation von widerstrebenden Zeugen und Verdächtigen, und in seinem Gesicht sah er das gleiche erkennbar unschuldige, leicht verwirrte Lächeln. Pattas Ton lud nicht zum Widerspruch ein.
    »Wenn er wüßte, wer die Leute sind?« wiederholte Brunetti, allerdings machte er eine Frage daraus.
    »Ja, genau. Wie Sie wissen, hat er ja keine Ahnung, wie diese Drogen in seinen Besitz gelangt sind oder wer sie ihm zugesteckt haben könnte.« Pattas Stimme war so ruhig, wie sein Blick fest war.
    Ach, so läuft das hier, dachte Brunetti. »Und seine Fingerabdrücke, Vice-Questore?«
    Pattas Lächeln war sehr breit und schien sogar echt zu sein. »Ich weiß. Ich weiß, wie das bei seiner ersten Vernehmung gewirkt haben muß. Aber er hat dann mir und auch der Polizei erklärt, daß er die Plastikhülle gefunden hat, als er vom Tanzen kam und in seine Tasche griff, um sich eine Zigarette zu nehmen. Da er keine Ahnung hatte, was das war, hat er sich, wie es jeder tun würde, die Hülle näher angesehen, und dabei muß er einige von den Briefchen angefaßt haben.«
    »Einige?« fragte Brunetti, aber er hielt aus seinem Ton jegliche Skepsis heraus.
    »Einige«, wiederholte Patta mit einer Entschiedenheit, die jede weitere Diskussion unterband.
    »Haben Sie schon die heutige Zeitung gelesen, Vice-Questore?« fragte Brunetti, ebenso zu seiner eigenen Überraschung wie zu der seines Vorgesetzten.
    »Nein«, antwortete Patta und fügte - in Brunettis Augen grundlos - hinzu: »Ich hatte, seit ich hier bin, zuviel zu tun, um Zeitung zu lesen.«
    »Letzte Nacht sind bei Treviso vier Jugendliche mit dem Auto verunglückt. Auf der Heimfahrt von einer Disco ist ihr Wagen von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Ein junger Student ist tot, die drei anderen sind schwer verletzt.« Brunetti machte eine Pause, die ganz und gar diplomatischer Natur war.
    »Nein, das habe ich nicht gelesen«, sagte Patta. Auch er machte eine Pause, aber eher wie der Chef einer Artilleriebatterie, der über die Schwere der nächsten Salve nachdenkt. »Warum erzählen Sie mir das?«
    »Weil einer der Beteiligten tot ist, Vice-Questore. In der Zeitung steht, der Wagen ist mit hundertzwanzig Sachen gegen den Baum geprallt.«
    »Das ist gewiß bedauerlich, Commissario«, bemerkte Patta, ungefähr so betroffen wie über die Mitteilung,

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