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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Prozent im Monat reden hören. Aber fünfzig wurden auch schon genannt.«
    Der Venezianer in Brunetti hatte es augenblicklich ausgerechnet: »Das wären ja sechshundert Prozent im Jahr«, sagte er, ohne seine Empörung verhehlen zu können.
    »Viel mehr, wenn man die Zinseszinsen rechnet«, korrigierte ihn Franca, womit sie bewies, daß die Wurzeln ihrer Familie in der Stadt noch tiefer reichten als Brunettis.
    Der wandte seine Aufmerksamkeit wieder den beiden Alten auf der anderen Seite des Campo zu. Während er noch hinsah, beendeten sie ihr Gespräch, die Frau ging in Richtung Rialto davon, und der Mann kam auf sie zu.
    Als der Abstand kleiner wurde, sah Brunetti die vorgewölbte Stirn, die rauhe Haut, die sich zum Teil abschilferte wie von einer nichtbehandelten Krankheit, die vollen Lippen und die schweren Augenlider. Der Mann hatte einen seltsamen, vogelartigen Gang und setzte bei jedem Schritt die Füße flach auf den Boden, als hätte er Angst, die Absätze seiner schon oft geflickten Schuhe abzulaufen. Sein Gesicht trug die Spuren von Alter und Krankheit, doch der schlenkernde Gang - besonders von hinten gesehen wie jetzt, als Brunetti ihn in die calle einbiegen sah, die zum Rathaus führte - gab ihm etwas jugendlich Ungelenkes.
    Als Brunetti sich wieder umdrehte, war die alte Frau verschwunden, aber das Bild des Beuteltiers, besser einer Art zweibeiniger Ratte, blieb ihm im Gedächtnis haften. »Woher weißt du so etwas alles?« fragte er Franca.
    »Vergiß nicht, daß ich in einer Bank arbeite«, antwortete sie.
    »Und diese beiden sind die letzte Zuflucht für den, der von euch nichts bekommt?«
    Sie nickte.
    »Aber wie erfahren die Leute von ihnen?« fragte er.
    Sie sah ihn an, als müßte sie erst überlegen, wie weit sie ihm vertrauen konnte, dann sagte sie: »Ich habe gehört, daß sie manchmal von Bankangestellten empfohlen werden.«
    »Wie?«
    »Wenn einer sich bei der Bank Geld leihen will und abgewiesen wird, rät ihm gelegentlich einer der Bankangestellten, es bei den Volpatos zu versuchen. Oder bei einem anderen Geldverleiher, je nachdem, wer ihm die Provision bezahlt.«
    »Wie hoch sind solche Provisionen?« fragte Brunetti mit ruhiger Stimme.
    Sie zuckte die Achseln. »Wie ich höre, kommt das darauf an.«
    »Worauf?«
    »Auf die Höhe der Summe, die sie am Ende leihen. Oder sonst auf die Art der Abmachung, die der Banker mit dem Wucherer hat.« Ehe Brunetti dazu noch etwas fragen konnte, fügte sie hinzu: »Wenn Leute Geld brauchen, bekommen sie es von irgendwoher. Wenn nicht von Freunden oder Verwandten und wenn nicht von der Bank, dann eben von Leuten wie den Volpatos.«
    Die nächste Frage konnte Brunetti ihr nur ganz ohne Umschweife stellen, und er tat es: »Hat da die Mafia die Finger drin?«
    »Worin hat sie die nicht?« fragte Franca zurück. Doch als sie sein irritiertes Gesicht sah, sagte sie: »Entschuldige, das war nur neunmalklug dahergeredet. Ich weiß nicht direkt, ob es so ist. Aber wenn man ein Weilchen darüber nachdenkt, kommt man zu dem Schluß, daß es eine sehr gute Methode der Geldwäsche ist.«
    Brunetti nickte. Nur im Schutz der Mafia konnte etwas so Profitables von den Behörden unbehelligt bleiben.
    »Habe ich dir jetzt das Mittagessen verdorben?« fragte sie, plötzlich lächelnd, und er erinnerte sich gut, wie schnell bei ihr immer die Laune gewechselt hatte.
    »Überhaupt nicht, Franca.«
    »Warum willst du das eigentlich alles wissen?« fragte sie endlich.
    »Es könnte einen Zusammenhang mit etwas anderem geben.«
    »Wie das mit den meisten Dingen so ist«, ergänzte sie, stellte ihm aber keine weitere Frage - auch das eine Eigenschaft, die er immer sehr an ihr geschätzt hatte. »Dann gehe ich jetzt mal nach Hause«, sagte sie und reckte sich, um ihn auf beide Wangen zu küssen.
    »Danke, Franca«, antwortete er und drückte sie rasch ein wenig fester an sich, getröstet durch die Berührung mit ihrem starken Körper und dem noch stärkeren Willen. »Es ist mir immer wieder eine Freude, dich zu sehen.« Noch als sie seinen Arm tätschelte und sich zum Gehen wandte, wurde ihm klar, daß er sie gar nicht nach anderen Geldverleihern gefragt hatte, aber nun konnte er sie nicht mehr zurückrufen, um das nachzuholen. Sein einziger Gedanke war jetzt, nach Hause zu kommen.

17
    U nterwegs ließ Brunetti seine Erinnerung zurückschweifen in die Zeit vor mehr als zwei Jahrzehnten, als er mit Franca gegangen war. Ihm war bewußt, wie schön er es gefunden hatte, seine

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