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Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle

Titel: Brunetti 12 - Verschwiegene Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Mit achtzehn!« Aber dann holte sie tief Luft, lächelte ihn an, und er wußte, die Geschichte würde doch noch ein gutes Ende nehmen.
    »Wenn wir zusammen waren, redete er dauernd über Politik und Weltgeschichte und all das, worüber Barbara und meine Eltern zu Hause auch immer diskutiert hatten. Nur daß er ganz andere Ansichten vertrat als sie. Aber er hatte tiefblaue Augen und daheim in Mailand ein eigenes Auto, ein Kabrio.« Wieder lächelte sie in Erinnerung an das Mädchen, das sie gewesen war, und seufzte.
    Als sie nicht von allein weiterredete, half er nach: »Und hat Barbara ihn kennengelernt?« »O ja, und die beiden waren sich spinnefeind, kaum daß sie drei Worte miteinander gewechselt hatten. Er hielt sie offenbar für eine gefährliche Kommunistin, und für sie war er ein Faschistenschwein.« Wieder lächelte Elettra den Commissario an.
    »Und?«
    »Einer von beiden hatte recht.«
    Brunetti lachte herzlich und fragte: »Wie lange haben Sie denn gebraucht, um das einzusehen?«
    »Ach, ich glaube, ich wußte es von Anfang an, aber er hatte eben diese Augen. Und dann das Kabrio.« Sie lachte.
    »Renzo trug ein Foto davon in seiner Brieftasche.«
    Brunetti konnte sich eine derart hoffnungslos verblendete Signorina Elettra erst kaum vorstellen, aber dann dachte er einen Augenblick nach und stellte fest, daß ihre Geschichte ihn eigentlich gar nicht so sehr überraschte.
    »Und wie ging es weiter?«
    »Na ja, kaum daß wir zu Hause waren, hat Barbara ihn in der Luft zerrissen, und - wie heißt es in dem Bibelspruch? - ›Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen‹? Sehen Sie, mir erging es ganz ähnlich. Ich mußte nur, statt ihn wahllos anzuhimmeln, richtig hinhören und mir klarmachen, wofür er schwärmte - da hatte ich bald raus, was für ein widerlicher Typ er war.«
    »Und wofür schwärmte er?«
    »Für das gleiche, wovon Leute wie er immer schwärmen: Nationalstolz, den Rückhalt des Staates in der Familie, den Heldenmut der Männer in Kriegszeiten.« Hier hielt sie inne und schüttelte den Kopf wie jemand, der sich von einer Last befreit. »Schon erstaunlich, was man sich alles anhören kann, ohne zu merken, wie blöd es ist.«
    »Blöd?«
    »Na ja, wenn die, die's verzapfen, noch halbe Kinder sind, dann ist es wohl einfach Blödsinn. Erst wenn Erwachsene genauso reden, wird's gefährlich.«
    »Und dieser Renzo, was ist aus ihm geworden?«
    »Keine Ahnung, ich nehme an, er hat seinen Abschluß gemacht, ist zur Armee gegangen und hat irgendwann Gefangene in Somalia gefoltert. Das hätte zu ihm gepaßt.«
    »Sie meinen, er war gewalttätig?«
    »Nein, eigentlich nicht, aber sehr leicht verführbar. Und er schwor auf Ehre und Disziplin und einen Staat, der durchgreift, und all das. Es lag wohl in der Familie. Sein Vater war, glaube ich, General, Renzo kannte nichts anderes.«
    »So wie es auch bei Ihnen in der Familie liegt, nur mit umgekehrtem Vorzeichen?« meinte Brunetti lächelnd. Da er auch ihre Schwester kannte, wußte er, wo die Zorzis politisch standen.
    »Genau, in meiner Familie hat nie jemand das Hohelied auf Ordnung und Disziplin und einen starken Staat gesungen«, erklärte sie mit unverhohlenem Stolz.
    Bevor Brunetti darauf antworten konnte, sprang sie so hastig auf, als sei ihr plötzlich bewußt geworden, wie viel von sich sie preisgegeben hatte. Dann beugte sie sich vor und legte ihm den Ordner auf den Schreibtisch. »Das ist eben eingegangen, Signore«, sagte sie so förmlich, als hätten sie nicht eben noch im vertrautesten Ton miteinander gesprochen.
    »Ich danke Ihnen«, antwortete er.
    »Was da drinsteht, dürfte soweit verständlich sein, aber falls Sie zusätzliche Informationen brauchen, rufen Sie mich an.«
    Sie schlug nicht vor, daß er einfach zu ihr ins Büro kommen oder sie noch einmal heraufbitten solle. Mithin war die Diensthierarchie wiederhergestellt, waren die Grenzen vorschriftsgemäß abgesteckt.
    »Gewiß«, sagte er, und als sie sich zur Tür wandte, dankte er ihr noch einmal.

9
    D er Ordner enthielt fotokopierte Zeitungsartikel über Fernando Moros Laufbahn als Arzt und Politiker, wobei offenbar eine Karriere die andere befördert hatte: Öffentlich in Erscheinung getreten war der Dottore erstmals vor sechs Jahren als einer der Inspektoren, die die medizinische Versorgung im Veneto untersuchten. Er hatte in seinem Abschlußbericht die von der Regionalverwaltung veröffentlichten Zahlen in Frage gestellt, welche sich im Patienten-Arzt-Verhältnis einer Quote

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