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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Wieder führte er die Hand an den Kopf und kratzte sich an genau derselben Stelle. Endlich sah er Brunetti an und sagte: »Vielleicht erkläre ich es Ihnen am besten anhand eines Beispiels. Nehmen Sie nur die armen Dinger, die bei ihr arbeiteten. An denen fand sie dauernd etwas auszusetzen. Was sie auch anfaßten, sie konnten ihr nichts recht machen. Entweder nahmen sie zuviel Kaffeepulver oder ließen das Licht brennen, oder es gab Ärger, weil sie das Geschirr in kaltem Wasser spülen sollten, statt in warmem. Wenn eine sich rechtfertigen wollte, keifte die Alte, sie könne sich dorthin zurückscheren, wo sie hergekommen sei.«
    Eins der Kinder draußen im Wartezimmer heulte los, verstummte aber bald wieder. Carlotti fuhr fort. »Es hört sich nicht dramatisch an, was ich Ihnen da erzähle, jetzt im nachhinein merke ich das, aber für die Frauen war es furchtbar. Vermutlich waren es lauter Illegale, die sich nirgendwo beschweren konnten und nichts mehr fürchteten als die Abschiebung. Was die Battestini natürlich genau gewußt hat.«
    »Haben Sie gelegentlich eine der Frauen kennengelernt, Dottore?«
    »Wie meinen Sie das?« fragte er.
    »Nun, haben Sie sich mit ihnen unterhalten - über ihre Heimat, Ausbildung, einen früheren Beruf?«
    »Nein. Das hätte die Signora nicht geduldet. Sie hat überhaupt niemanden an sie rangelassen. Auch wenn während meiner Visite das Telefon läutete, wollte sie immer wissen, wer dran war, und ließ sich den Hörer geben. Sogar wenn eins der Mädchen einen Anruf auf dem eigenen telefonino bekam, mischte sie sich ein und schalt, sie bezahle sie nicht dafür, während der Arbeitszeit Privatgespräche zu führen.«
    »Und die letzte?«
    »Flori?« vergewisserte sich der Arzt.
    »Ja.«
    »Halten Sie sie für die Mörderin?« fragte Carlotti.
    »Und Sie, Dottore?«
    »Ich weiß nicht. Als ich die Leiche fand, hatte ich Angst, daß auch Flori ... ich meine, daß sie womöglich das zweite Opfer sein könnte. Aber sie für die Mörderin der Signora zu halten, auf den Gedanken wäre ich nie gekommen.«
    »Und jetzt, Dottore?«
    Der Arzt wirkte ehrlich bekümmert. »Inzwischen habe ich die Zeitungen gelesen, mit Ihrem Kollegen gesprochen, und alle scheinen sicher zu sein, daß sie es war.« Brunetti wartete. »Aber ich kann's immer noch nicht glauben.«
    »Und warum nicht?«
    Wieder zögerte Carlotti lange und musterte Brunetti prüfend, wie um zu ergründen, ob er bei seinem Gegenüber, der ja von Berufs wegen ebenso mit den Schwächen der menschlichen Natur konfrontiert war wie er, wohl auf Verständnis stoßen würde. »Ich praktiziere nun schon seit über zwanzig Jahren, Commissario«, begann er endlich, »und es gehört zu meinem Beruf, in die Patienten hineinzuschauen. Die Leute mögen denken, ein Mediziner befasse sich allein mit physischen Defekten, aber mich hat die Praxis gelehrt, daß häufig erst eine kranke Seele auch den Körper krank macht. Und ich würde sagen, Floris Seele war heil und gesund.« Er senkte die Lider, blickte dann wieder auf und sagte abschließend: »Genauer kann ich das leider nicht begründen, Commissario, von einer professionellen Diagnose ganz zu schweigen.«
    »Und Signora Battestini? Gab es etwas, woran ihre Seele krankte?«
    »Nur die Begierde, Commissario«, antwortete Carlotti prompt. »Daß sie borniert war und ignorant, steht auf einem anderen Blatt. Aber ihre Habgier, die kam aus tiefster Seele.«
    Um auf Nummer Sicher zu gehen, spielte Brunetti den Advocatus Diaboli: »Viele alte Menschen müssen mit ihrem Geld haushalten, Dottore.«
    »Bei ihr hatte das nichts mehr mit haushalten zu tun, Commissario. Die Frau war schlichtweg besessen.« Und unversehens ins Lateinische wechselnd, zitierte er: »Radix malorum est cupiditas. Nicht das Geld an sich ist die Wurzel allen Übels, Commissario. Sondern die Gier danach: cupiditas.«
    »Hatte sie denn genug Geld, um diese Gier zu befriedigen?« fragte Brunetti.
    »Keine Ahnung«, gestand der Arzt freimütig. Wieder fing eins der Kinder im Wartezimmer an zu weinen, aber diesmal ernsthaft, in jenem unverwechselbar hohen, quengelnden Ton, der sich nicht simulieren läßt. Carlotti sah auf die Uhr. »Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, Commissario, dann würde ich jetzt gern mit der Sprechstunde beginnen.«
    »Ja, natürlich.« Brunetti erhob sich und schob seinen Block in die Tasche. »Ich habe Ihre kostbare Zeit ohnehin schon über Gebühr in Anspruch genommen.«
    Auf dem Weg zur Tür stellte Brunetti

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