Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
dahinter wie riesige Murmeln wirkten. Die unterm Glas hin und her zu kullern schienen, als ihr Blick von Brunetti zu Vianello wanderte und der Fokus der Linsen mit jeder Kopfbewegung wechselte. Während der Mann sichtlich verwundert war über diesen unvermuteten Besuch in seiner Backstube, blieben ihre Züge seltsam unbeteiligt; das einzige, was sich in ihrem Gesicht regte, waren die rollenden Augen.
»Signorina Simionato?« fragte Brunetti.
Gleich einer Eule drehte sie den Kopf nach der Stimme. Er glaubte schon, sie hätte seine Frage nicht verstanden, als sie endlich nickte.
»Ich hätte Sie gern gesprochen, Signorina.«
Der Blick des Mannes wechselte von Brunetti zu der Frau, dann zu Vianello und zurück zu Signorina Simionato. Offenbar fragte er sich, was der Auftritt dieser beiden Fremden zu bedeuten habe. Die Frau dagegen sah ausdruckslos zwischen Brunetti und Vianello hin und her und sagte nichts.
Es war Vianello, der endlich das Schweigen brach. »Hätten Sie vielleicht ein Plätzchen«, fragte er, an den Mann gewandt, »wo wir uns ungestört mit Signorina Simionato unterhalten könnten?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »So was haben wir hier nicht«, sagte er. »Aber ich kann auf eine Zigarettenlänge rausgehen, während Sie mit ihr reden.« Als Brunetti nickte, nahm der Mann die Mütze ab und wischte sich mit der Innenseite des Ellbogens den Schweiß vom Gesicht. Dann schob er die Jacke hoch, zog eine blaue Packung Nazionali aus der Hosentasche und wandte sich zum Gehen. Brunetti bemerkte erst jetzt, daß der Raum einen Ausgang zur calle hatte.
»Signorina Simionato«, begann Brunetti, sobald sie allein waren. »Ich bin Commissario Brunetti von der Polizei.«
Falls ein ohnehin regloses Gesicht erstarren konnte, dann das ihre. Sogar die Augen stellten ihre emsige Wanderung zwischen Brunetti und Vianello ein und fixierten die rückwärtige Fensterfront. Sie schwieg eisern. Brunetti betrachtete sie näher: die platte Nase und das krause rötlichgelbe Haar, das widerspenstig unter der weißen Mütze hervorquoll. Ob ihr Gesicht vor Schweiß glänzte oder ob sie von Natur aus eine fettige Haut hatte, war nicht genau auszumachen. Dafür überzeugten ihn die dumpfen, verständnislosen Züge, daß diese Frau nicht in der Lage war, einen Computer zu bedienen, geschweige denn Bankguthaben auf die Kanalinseln zu verschieben.
»Ich möchte Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
Ihre Augen blieben so starr auf die Fensterfront gerichtet, daß er nicht wußte, ob sie ihn überhaupt gehört hatte.
»Sie sind doch Signorina Simionato?« vergewisserte sich Brunetti. Ihr Name schien immerhin zu ihr durchzudringen, denn sie nickte bestätigend.
»Die Nichte von Maria Grazia Battestini?«
Die Frage sicherte ihm endlich sowohl ihre Aufmerksamkeit als auch erneuten Blickkontakt. »Ja«, murmelte sie. Und obwohl sie den Mund dabei kaum öffnete, sah er doch die beiden riesigen Hasenzähne, die mit beträchtlichem Überbiß über den Unterkiefer hinausragten.
»Soweit ich informiert bin, sind Sie die Erbin Ihrer Tante, Signorina.«
»Ihre Erbin. Ja«, bekräftigte sie. »Ich sollte alles kriegen.«
»Und?« fragte Brunetti mit einer Stimme, die zwischen Besorgnis und Verwunderung schwankte. »Ist es etwa nicht so gekommen?«
Während er sie beobachtete, fiel ihm auf, daß sie ihn beständig an irgendein Tier erinnerte. Erst an eine Eule, dann an eine gefangene Ratte. Und bei dieser letzten Frage schlich sich etwas Ungezähmtes, fast Heimtückisches in ihre Züge.
Sie richtete die unnatürlich vergrößerten Augen auf ihn und fragte: »Was wollen Sie?«
»Mit Ihnen über das Erbe Ihrer Tante reden, Signorina.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Ob Sie eine Ahnung haben, woher das Vermögen der Signora stammte.«
Der Instinkt, jeglichen Reichtum zu verleugnen, brach sich auch bei ihr Bahn. »Sie hatte nicht viel Geld«, behauptete sie.
»Aber mehrere Bankkonten«, versetzte Brunetti.
»Davon weiß ich nichts.«
»Eins bei der Uni Credit und noch vier weitere bei jeweils einem anderen Geldinstitut.«
»Das wußte ich nicht.« Ihre Stimme war so dumpf wie ihr Gesichtsausdruck.
Brunetti warf Vianello einen Blick zu, und der hob die Brauen, zum Zeichen, daß auch er in der störrischen Verweigerungshaltung des Mädchens jene Taktik erkannt hatte, mit der man sich in bäuerlichen Kreisen seit alters her gegen Gefahren zur Wehr setzte. Da freundliches Entgegenkommen offenbar nutzlos am Panzer ihrer Tumbheit
Weitere Kostenlose Bücher