Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
zerschellte, verlegte Brunetti sich auf einen unangenehm strengen Ton, als er jetzt sagte: »Signorina, Sie haben genau zwei Möglichkeiten.«
Die harsche Stimme tat offenbar ihre Wirkung, denn sie heftete die unsteten Augen erwartungsvoll auf sein Gesicht.
»Wir können entweder über den Reichtum Ihrer Tante sprechen und darüber, woher er stammt, oder wir reden über Hunde.«
Ihre Lippen strafften sich und entblößten die Hasenzähne. Aber bevor sie etwas sagen konnte, setzte Brunetti noch einmal nach. »Ich glaube nicht, daß ein Geschäft, in dem Lebensmittel vertrieben werden, jemanden weiterbeschäftigen wird, der mit Gift hantiert, oder, Signorina?« Er ließ die Drohung gebührend nachwirken, bevor er in beiläufigem Plauderton fortfuhr: »Und Ihre Chefin macht auch nicht den Eindruck, als ob sie viel Geduld hätte mit einer Angestellten, die freinehmen muß, um sich in einem Prozeß vor Gericht zu verantworten, nicht wahr? Das heißt«, fügte er nach einer weiteren Pause hinzu, »falls diese Angestellte dann noch eine Anwältin hat, die sie vertritt.«
Signorina Simionato umfaßte die Finger ihrer linken Hand mit der Rechten und begann sie zu reiben, als wären sie abgestorben und sie wollte sie wieder zum Leben erwecken. Ihre Augen wanderten abermals zwischen Brunettis und Vianellos Gesicht hin und her. Und während sie unablässig ihre Hand massierte, stammelte sie: »Ich habe nicht ...« Aber Brunetti unterbrach sie und befahl mit lauter Stimme: »Vianello, sagen Sie der Inhaberin, wir nehmen sie mit. Und erklären Sie ihr auch, warum.«
Vianello ging, ohne mit der Wimper zu zucken, auf das Spiel ein. Mit einem schneidigen »Jawohl, Commissario« wandte er sich zurück zum Ladenlokal.
Aber er war noch nicht einen Schritt weit gekommen, als ihre schreckensschrille Stimme ihm Einhalt gebot. »Nein, warten Sie! Tun Sie das nicht! Ich sag's Ihnen, ich will alles sagen.« Sie hatte eine sabbernde Sprechweise, so als könnte sie die Konsonanten nur mit Hilfe großer Mengen Spucke bilden.
Vianello machte kehrt, hielt aber sorgsam Abstand zu der jungen Frau, da er Brunettis verbale Drohungen durch seine imposante Statur nicht noch verstärken wollte. Beide Männer blickten Graziella an, ohne etwas zu sagen.
»Es war Paolo«, sagte sie. »Er hat's gemacht, er hat es für sie beschafft, aber wie, weiß ich nicht. Das hat sie nie verraten. Mir hat sie nur gesagt, wie stolz sie auf ihn ist und daß er immer zuerst an sie denkt.« Hier verstummte Graziella. Offenbar hielt sie diese Antwort für ausreichend, um die Drohungen der Polizisten abzuwenden.
Brunetti war unerbittlich. »Was hat sie Ihnen erzählt?«
»Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt!« antwortete Graziella kämpferisch.
Brunetti wandte sich von ihr ab. »Gehen Sie raus und sagen Sie Bescheid, Vianello«, befahl er.
Graziella blickte flehentlich von einem zum anderen. Als die beiden sich nicht erweichen ließen, warf sie den Kopf zurück und begann zu wimmern wie ein verwundetes Tier.
Erschrocken machte Brunetti einen Schritt auf sie zu, wich aber gleich wieder zurück, um keinen falschen Eindruck zu erwecken, falls jemand nachschauen käme. Und tatsächlich erschien im nächsten Moment die Inhaberin auf der Schwelle und rief: »Graziella! Hör auf! Hör sofort auf, oder du bist entlassen.«
Das Jammern verstummte schlagartig und so rasch, wie es begonnen hatte, aber Signorina Simionato schluchzte weiter. Die Inhaberin warf noch einen Blick auf Brunetti und Vianello, ehe sie kehrtmachte und mit einem verächtlichen Schnauben die Tür hinter sich schloß.
Mitleidslos wandte Brunetti sich an das weinende Mädchen und sagte: »Sie haben's gehört, Graziella. Sie wird nicht viel Nachsicht mit Ihnen haben, wenn ich ihr von Poppi und dem Gift erzähle, oder?«
Graziella zog die Mütze vom Kopf und fuhr sich damit über Mund und Nase, doch das Schluchzen wollte nicht aufhören. Sie nahm die Brille ab, legte sie auf einen Backofen und wischte sich das Gesicht ab. Dann blinzelte sie Brunetti aus nackten, maulwurfsblinden Augen an.
Er bezwang sein Mitleid und wiederholte die Frage. »Was hat sie Ihnen noch erzählt, Graziella? Über das Geld?«
Jetzt verebbte endlich auch das Schluchzen. Sie fuhr sich ein letztes Mal übers Gesicht, bevor sie die Hand ausstreckte und unsicher nach ihrer Brille tastete. Brunetti sah zu, wie ihre Hand dicht daran vorbeistrich, sich entfernte, wieder näher kam. Er unterdrückte den Wunsch, ihr zu helfen, und
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