Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Geschäftsstelle der Schulbehörde endete. In den großzügigen Empfangsbereich hätte sein Büro gut viermal hineingepaßt. Orangefarbene Plastikstühle säumten die Wände rechts und links; der Tür gegenüber stand ein ramponierter Holzschreibtisch, und die Frau dahinter wirkte nicht weniger ramponiert, wobei er freilich das Gefühl hatte, sie habe sich aus freien Stücken so hergerichtet.
Da außer ihr niemand da war, wandte Brunetti sich an sie. Die Frau war so stark geschminkt, daß sich ihr Alter unmöglich schätzen ließ: Sie hätte dreißig, aber genausogut auch fünfzig sein können. Dick aufgetragener Lippenstift vergrößerte den Mund und suggerierte jugendlich volle Lippen, hatte sich aber auch in den vielen Fältchen um die Unterlippe eingenistet, die die langjährige starke Raucherin verrieten. In ihren geheimnisvoll zwischen Tiefgrün und Smaragd irisierenden Augen lag ein so schillernder Glanz, daß man versucht war, Kontaktlinsen oder Drogen zu vermuten. Statt der Brauen wölbte sich über ihren Augen nur ein Paar braungestrichelter Bleistiftlinien in willkürlich geformten, steilen Bögen.
Als Brunetti lächelnd auf ihren Schreibtisch zutrat, verzog auch sie die Lippen und fragte: »Sind Sie der Mann vom Kundendienst? Für den Wasserspender?« Ihrer Stimme fehlte jegliche Betonung oder Modulation; sie hätte ebensogut aus einem Automaten kommen können wie aus diesem aufgepeppten Mund.
»Bitte, was meinen Sie?« fragte Brunetti.
»Sind Sie vom Kundendienst?« leierte die Stimme.
»Nein. Ich möchte den Direktor sprechen.«
»Sie sind nicht vom Kundendienst?«
»Nein, tut mir leid.«
Er sah zu, wie sie das irgendwo hinter diesen smaragdgrünen Augen verarbeitete. Ihre Erwartung derart durchkreuzt zu finden war offenbar zuviel für sie, denn sie schloß ermattet die Lider. Brunetti, der zwei kleine silberne Piercings an ihrer linken Schläfe entdeckt hatte, vermied es tunlichst, über deren Ursprung, geschweige denn ihren Zweck nachzudenken.
Ihre Augen öffneten sich wieder. Ob von allein, oder ob sie sie aufgeschlagen hatte, blieb ihm unerfindlich. »Dottor Rossi ist in seinem Büro«, sagte sie, hob die Hand und wedelte mit langen grünen Fingernägeln aufs Geratewohl hinter ihre rechte Schulter, wo eine Tür offenstand.
Brunetti bedankte sich, ließ den Wunsch, der Kundendienst komme hoffentlich bald, unausgesprochen und schritt auf die Tür zu. Dahinter erstreckte sich ein kurzer Flur, links von Türen und rechts von Fenstern gesäumt, die auf einen kleinen Innenhof hinausgingen, hinter dem abermals eine Fensterfront grüßte.
Brunetti ging den Flur entlang und las die Namen und Titel auf den Türschildern. Der Stille nach zu urteilen, waren die Büros offenbar schon verwaist. Am Ende des Korridors bog er rechts ab und traf auf einen Gang, der beidseitig von Büros flankiert war, doch das des Direktors fand sich nicht darunter.
Er wandte sich abermals nach rechts und entdeckte am Ende dieses Flurs tatsächlich ein Schild mit der Aufschrift DOTTOR MAURO Rossi, DIRETTORE. Auf sein Klopfen rief eine Stimme »Avanti«, und er trat ein. Der Mann hinter dem Schreibtisch schaute auf, offenbar erstaunt, einen Fremden in seinem Büro zu erblicken, und fragte: »Ja, was gibt's?«
»Ich bin Commissario Guido Brunetti, Dottore. Und ich bin hier, um Ihnen einige Fragen über einen früheren Mitarbeiter zu stellen.«
»Ein Commissario von der Polizei?« fragte Rossi und wies, da Brunetti nickte, auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. Als Brunetti näher trat, erhob er sich und streckte die Hand aus. Rossi war etwa Mitte vierzig, und seine massige, dabei aber muskulöse Gestalt überragte Brunetti fast um Haupteslänge. Das immer noch dichte, dunkle Haar fiel ihm bei jeder Kopfbewegung in die Stirn. Sein frischer Teint zeugte von einer robusten Gesundheit, und für einen so schwergewichtigen Mann wirkte er erstaunlich agil.
Rossis kraftvoll maskuline Ausstrahlung spiegelte sich auch in der Atmosphäre seines Büros wider: Eine ganze Reihe glänzender Sporttrophäen krönte einen verglasten Bücherschrank. Links auf dem Schreibtisch standen silbergerahmte Fotos von einer Frau und zwei Kindern, und an den Wänden hingen fünf oder sechs gerahmte Urkunden, darunter ein mit Siegeln geschmücktes Pergament, das die Verleihung der Doktorwürde an Mauro Rossi bescheinigte.
Sobald er Platz genommen hatte, erklärte Brunetti: »Es handelt sich um einen Mitarbeiter, der bis vor etwa fünf Jahren hier
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