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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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»Die Unterdrückung der Frauen ist ein Übel, das ich nicht dulden kann.«
    Sie holten sich jeder noch einen Prosecco, und Paola war so durstig, daß sie ihr Glas gleich zur Hälfte leerte.
    Er erkundigte sich, ob sie die Ausstellung überhaupt schon gesehen habe, und begleitete sie dann auf ihrem Rundgang von einer Vitrine zur nächsten. »Es wäre allerdings schwierig, einen geeigneten Platz dafür zu finden«, sagte sie abschließend, so als hätte er gefragt, ob sie eine Skulptur kaufen sollten und, wenn ja, welche.
    Brunetti ließ den Blick durch die Galerie schweifen, in der jetzt drangvolle Enge herrschte. Eine bärtige Vogelscheuche von einem Mann war Professore Amadori ins Netz gegangen, der offenbar wieder seinen Monolog abspulte. Eine hochgewachsene Frau im Minirock, an dessen Saum lauter kleine Glaskugeln baumelten, stolzierte am Professor vorbei. Allein, Amadori fixierte unbeirrt sein Gegenüber, dessen Augen dafür um so sehnsüchtiger dem Mini folgten.
    Ein Mann und eine Frau traten an die erste Vitrine. Sie trugen weiße Scheitelkäppchen und Ponchos aus grober Wolle im Partnerlook und sahen aus, als hätten sie auf der Heimreise vom Machu Picchu einen Abstecher nach Damaskus gemacht. Der Mann zeigte der Reihe nach auf jedes Stück, und die Frau tat mit flatternden Handbewegungen entweder Lob oder Tadel kund - Brunetti konnte es nicht unterscheiden.
    Als er sich nach Paola umdrehte, war sie verschwunden. Dafür sah er, nur wenige Meter entfernt, Ribetti im Gespräch mit einer dunkelhaarigen Frau. Er wirkte nicht nur gelöster als bei ihrer ersten Begegnung, er sah auch besser aus. Und das nicht bloß, weil er statt der schlabberigen Hosen und der zerknitterten Jacke vom letzten Mal, den Kleidern, in denen man ihn zu Boden geworfen und in Gewahrsam gehalten hatte, heute einen Anzug mit Krawatte trug. Der Anzug paßte gut, was aber vor allem zu ihm zu passen schien, war die Frau an seiner Seite.
    Brunetti, der nicht recht wußte, wie jemandem, den man vor dem Gefängnis bewahrt hat, auf gesellschaftlichem Parkett zu begegnen sei, neigte sich tief über sein Glas. Doch Ribetti befreite ihn aus seiner Verlegenheit: Kaum daß er ihn erkannt hatte, sagte er etwas zu der Frau und trat, offenbar ehrlich erfreut, auf ihn zu. »Commissario, wie schön, Sie wiederzusehen! Ich hätte nicht erwartet, Sie hier zu treffen.« Und um nicht in den Verdacht zu geraten, er traue einem Polizisten keinen Kunstsinn zu, ergänzte er: »Damit meine ich natürlich nicht die Galerie, sondern Murano.« Ribetti stockte, aus Furcht, sich mit jedem weiteren Wort nur noch tiefer hineinzureiten. Dann sah er sich nach seiner Begleiterin um und nahm einen neuen Anlauf: »Kommen Sie, ich möchte Ihnen meine Frau vorstellen.«
    Brunetti folgte ihm und sah, wie die Frau ihrem Mann entgegenlächelte. Aus der Nähe betrachtet, war ihr kurzgeschnittenes Haar schon stark von grauen Fäden durchzogen. Sie war offensichtlich älter als Ribetti, vielleicht an die zehn Jahre. »Das ist der Mann, der mich nicht eingesperrt hat, Assunta.« Mit diesen Worten trat Ribetti neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern.
    Die Frau prostete Brunetti lächelnd mit ihrem Prosecco zu. »Keine Ahnung, was die Etikette in so einer Situation vorschreibt«, sagte sie und brachte damit Brunettis Skrupel von vorhin auf den Punkt.
    Ribetti hob sein Glas und sagte: »Ich glaube, im Protokoll steht, wir sollen darauf anstoßen, daß ich nicht im Knast sitze.« Worauf er seinen Prosecco austrank und das Glas anschließend noch einmal hochhielt.
    »Ich danke Ihnen von Herzen, daß Sie Marco geholfen haben, Commissario«, sagte Ribettis Frau. »Ich wußte nicht ein noch aus, also habe ich Lorenzo angerufen, aber ich hätte nie gedacht, daß er noch jemanden bemüht.« Das Glas in ihrer Hand schien vollkommen vergessen. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht einmal, was ich von ihm erwartet habe. Außer daß er irgendwas unternehmen würde.« Die dichten, ungezupften Brauen über ihren dunklen Augen entsprachen nicht der gängigen Mode, und die Himmelfahrtsnase, die sich zur Spitze hin verbreiterte, wirkte eine Spur zu burschikos, aber ihr Mund, der zum Lächeln wie geschaffen schien, verlieh ihrem Gesicht einen weichen, anmutigen Zug.
    »Ich versichere Ihnen, Signora, ich habe rein gar nichts gemacht. Als wir in Mestre ankamen, hatte der Polizeirichter bereits die Freilassung aller Festgenommenen verfügt, weil es zu einer Anklage ohnehin nicht gereicht

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