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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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pliz?«
    »Does this bus go to Hammersmith?«
    Es folgten vier weitere Sätze von ebenso fragwürdigem Nutzen, bis Brunetti abermals die flehende Bitte um Erdbeermarmelade hörte. Da kein Ende abzusehen schien, ging er wieder hinaus auf den Flur, klopfte laut an die Tür des Sekretariats und rief: »Signorina Elettra, hallo? Sind Sie da?«
    In Sekundenschnelle erschien sie in Pattas Tür, strahlend vor Erleichterung, so als hätte Brunettis Ruf sie in letzter Minute aus tückischem Treibsand gezogen. »Ah, Commissario«, flötete sie, »ich wollte Sie gerade anrufen.« Wobei ihre Stimme jede Silbe des Italienischen so innig liebkoste, als wäre sie Francesca, die Sprache ihr Paolo und dies die letzte Chance, einander ihre Liebe zu gestehen.
    »Ich hätte gern den Vice-Questore gesprochen, wenn das möglich ist«, sagte Brunetti.
    »Aber ja!« Elettra trat beflissen zur Seite. »Er ist gerade frei.«
    Mit einer gemurmelten Entschuldigung schob Brunetti sich an ihr vorbei und trat über die Schwelle. Patta saß, die Ellbogen aufgestützt und die Hände unterm Kinn gefaltet, am Schreibtisch und starrte in ein Buch, das aufgeschlagen vor ihm lag. Brunetti, der im Näherkommen einen Blick riskierte, erkannte die Abbildung der Tower-Brücke auf der linken und auf der rechten Seite den Beefeater mit dem markanten schwarzen Hut. »Mi scusi, Dottore«, sagte er halblaut und mit deutlicher Betonung.
    Pattas Blick streifte ihn nur flüchtig. »Sì?«
    »Ob Sie wohl einen Moment Zeit für mich hätten, Vice-Questore?«
    Betont langsam und resigniert klappte Patta das Buch zu und schob es beiseite. »Also dann setzen Sie sich, Brunetti. Was gibt's denn?«
    Brunetti nahm gehorsam Platz. Aber sosehr er sich auch bemühte, nicht nach dem Buch zu schielen: Der flatternde Union Jack auf dem Einband war einfach nicht zu übersehen. »Es geht um die Jugendlichen, Vice-Questore.«
    Patta brauchte noch eine Weile, um den Kanal zu überqueren und an seinen Schreibtisch zurückzufinden, aber endlich schien er angekommen. »Was denn für Jugendliche?«
    »Die, die wir immer wieder verhaften müssen, Vice-Questore.«
    »Ah«, brummte der Vice-Questore, »die meinen Sie.« Brunetti beobachtete, wie Patta sich an die Festnahmeprotokolle zu erinnern versuchte, die in jüngster Zeit über seinen Schreibtisch gewandert waren; doch sein Gedächtnis ließ ihn offenkundig im Stich.
    Jetzt richtete Patta sich in seinem Stuhl auf und fragte: »Dazu hat das Ministerium doch eine Direktive erlassen, nicht wahr?«
    Brunetti verkniff sich die Antwort, daß es solche Direktiven sogar für die Anzahl der Knöpfe an den Uniformjacken gab. »Ja, ganz recht«, sagte er nur.
    »Na also, dann werden wir die auch befolgen, Brunetti.« In Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde glaubte der Commissario schon, Patta würde es dabei bewenden lassen, damit er pünktlich nach Hause kam. Aber irgend etwas veranlaßte den Vice-Questore fortzufahren. »Mir scheint, wir erörtern dieses Problem hier nicht zum erstenmal, Brunetti. Ihre Aufgabe ist es, über die Einhaltung der Gesetze zu wachen; nicht, sie in Frage zu stellen.«
    Brunetti hatte nichts dergleichen getan, weder direkt noch indirekt. Aber die Macht der Gewohnheit und ein Argwohn, der sich durch jahrelange Reibung an seinem Untergebenen tief eingegraben hatte, ließen Patta, kaum daß Brunetti eine Vorschrift auch nur erwähnte, hinter seiner Rede immer gleich eine kritische oder zweifelnde Phantomstimme vernehmen.
    Doch so leicht wollte Brunetti sich nicht in die Rolle des Querulanten drängen lassen. »Mein Problem ist eher logistischer Natur, Dottore.«
    »So? Inwiefern?« fragte Patta einigermaßen erstaunt.
    »Also es geht, wie schon gesagt, um diese Jugendlichen, Vice-Questore. Jedesmal, wenn wir einen von ihnen festnehmen, wird ein Foto gemacht und ...«
    »Ich weiß«, unterbrach ihn Patta. »So verlangt es die Direktive.«
    »Genau.« Brunettis Lächeln hätte einem Haifisch besser gestanden als einem pflichtbewußten Beamten.
    »Wo ist dann das Problem?« fragte Patta mit einem weder flüchtigen noch diskreten Blick auf seine Uhr.
    »Wir sind im Zweifel, wie wir sie archivieren sollen, Vice-Questore.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen, Brunetti.«
    »In der Anweisung steht, wir sollen uns nach dem Alter richten.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Patta, obwohl er es wahrscheinlich nicht wußte.
    »Ja, aber jedesmal, wenn einer von denen aufs neue verhaftet wird, gibt er einen anderen Namen an und ein

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