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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Mann hinter ihm und fragte nach der Trattoria.
    »Sie meinen Da Nanni?«
    »Ja«, bestätigte Brunetti. »Ich bin dort verabredet, doch ich weiß nur, daß es das Stammlokal der Glasarbeiter sein soll.«
    »Und man dort gut ißt?« fragte der Mann lächelnd.
    »Das hat man mir zwar nicht gesagt«, antwortete Brunetti, »wäre aber nicht verkehrt.«
    »Dann kommen Sie mal mit«, sagte der Mann, bog rechts ab und führte Brunetti über ein zementiertes Sträßchen, das parallel zum Kanal verlief, auf eine Schiffswerft zu. »Heute ist Mittwoch«, sagte der Mann. »Da gibt's Leber. Sehr zu empfehlen.«
    »Mit Polenta?« fragte Brunetti.
    »Natürlich«, versetzte der Mann mit einem Seitenblick auf diesen seltsamen Vogel, der sich, obwohl er Veneziano sprach, vergewissern mußte, ob zur Leber Polenta serviert wurde.
    Sie wandten sich jetzt nach links und gingen landeinwärts über einen unbefestigten Weg, der durch ein aufgelassenes Gelände zu einem niedrigen Betonbau führte. Dessen Wände waren von dunklen Rostschlieren überzogen, die von der offenbar lecken Dachrinne herrührten. Vor dem Gebäude standen ein paar windschiefe, verrostete Metalltische, deren Beine entweder im Schutt feststeckten oder von Betonkeilen gestützt wurden. Der Mann führte Brunetti an den Tischen vorbei zum Eingang, stieß die Tür auf und trat höflich beiseite, um Brunetti den Vortritt zu lassen.
    Drinnen fand der Commissario sich in die typische Trattoria seiner Jugend versetzt: Auf den Tischen mit den weißen Wachspapierdecken standen mehrheitlich vier schlichte Gedecke: je ein Teller mit Messer und Gabel sowie vier Gläser. Letztere, eine klobige Becherform, die kaum mehr als zwei Schluck Wein faßte, waren einmal sauber gewesen oder waren es vielleicht noch immer - so genau ließ sich das nicht erkennen, da sie durch jahrelangen Gebrauch zerkratzt und mit einem trüben, weißlichen Schleier überzogen waren. Neben den Gedecken lagen Papierservietten, und in der Mitte jedes Tisches stand ein vernickeltes Gestell mit verdächtig fahlem Olivenöl, weißem Essig, Salz, Pfeffer und einzeln abgepackten Zahnstochern. Brunetti staunte nicht schlecht, als er an einem dieser Tische Vianello entdeckte. Der Ispettore, in Jeans und Freizeitjacke, saß dort mit einem älteren Mann, der nicht die geringste Ähnlichkeit mit Pucetti aufwies. Brunetti wollte dem Herrn, der ihn hergeführt hatte, zum Dank un'ombra ausgeben, doch der Fremde lehnte die Einladung ab und empfahl sich. Als Brunetti an Vianellos Tisch trat, stand sein Begleiter auf und streckte ihm die Hand hin. »Navarro«, sagte er und ergriff Brunettis Rechte. »Giulio.« Der Mann, ein Schwergewicht mit Stiernacken und mächtigem Brustkasten, sah aus wie ein Boxer, auch wenn Brunetti annahm, daß er in seinem Leben eher Lasten statt Hanteln gestemmt hatte. Dafür sprachen auch seine leichten O-Beine, die unter jahrzehntelanger Schlepperei offenbar mehr und mehr eingeknickt waren. Seine Nase war mehrmals gebrochen und schlecht - wenn überhaupt - gerichtet worden, und von seinem rechten Vorderzahn war eine Ecke abgesplittert. Obwohl Navarro die sechzig gewiß schon überschritten hatte, zweifelte Brunetti nicht daran, daß er ihn oder Vianello mühelos hätte hochheben und durchs halbe Lokal schleudern können.
    Der Commissario stellte sich ebenfalls vor. »Und danke, daß Sie sich extra herbemüht haben, um mit uns zu sprechen«, sagte er, Vianello mit einbeziehend, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie der Inspektor hierherkam.
    Solch leicht verdiente Dankbarkeit machte Navarro sichtlich verlegen. »Nicht der Rede wert. Ich wohne gleich um die Ecke.«
    »Ihr Neffe ist ein guter Junge«, fuhr Brunetti fort. »Ein Glückstreffer für uns.«
    Auch dieses Lob schien Navarro in Verlegenheit zu bringen. Er senkte den Blick, doch als er wieder aufschaute, wirkten seine Züge weicher, ja fast strahlend. »Er ist der Sohn meiner Schwester«, erklärte er. »Wirklich ein braver Junge.«
    »Ich nehme an, er hat Ihnen gesagt«, forschte Brunetti, sobald alle drei Platz genommen hatten, »daß wir Sie nach ein paar Leuten hier auf der Insel befragen möchten?«
    »Ja, ich weiß Bescheid. Es geht Ihnen vor allem um De Cal?«
    Bevor Brunetti antworten konnte, kam ein Kellner an ihren Tisch. Er hatte weder Block noch Stift dabei, ratterte die Speisekarte in Windeseile herunter und forderte ihre Bestellungen ein.
    Doch als Navarro erklärte, die Herren seien Freunde von ihm, sagte der Kellner die

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