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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Speisekarte noch einmal langsam auf, diesmal ergänzt durch kleine Kommentare, ja sogar Empfehlungen.
    Man einigte sich auf Spaghetti vongole als ersten Gang. Der Kellner gab augenzwinkernd zu verstehen, daß die Muscheln garantiert, wenn auch vielleicht illegal, fangfrisch aus der Lagune kämen. Brunetti, der Leber noch nie besonders gemocht hatte, bestellte als Hauptgericht gegrillten rombo, während Vianello und Navarro sich beide für coda di rospo entschieden.
    »Patate bollite?« fragte der Kellner abschließend.
    Alle drei bejahten.
    Unaufgefordert brachte ihnen der Ober je einen Liter Mineralwasser und Weißwein, bevor er in der Küche verschwand, wo sie ihn ihre Bestellungen ausrufen hörten.
    So ungezwungen, als sei ihr Gespräch gar nicht unterbrochen worden, knüpfte Brunetti mit der nächsten Frage an. »Was wissen Sie über De Cal? Sind Sie womöglich bei ihm angestellt?«
    »Nein«, entgegnete Navarro, den die Frage sichtlich überraschte. »Aber ich kenne ihn. Wie jeder hier. Er ist ein Scheißkerl.« Navarro riß ein Päckchen grissini auf, schob sich eine Stange in den Mund und knabberte sie so zügig weg wie ein Kaninchen im Zeichentrickfilm seine Mohrrübe.
    »Heißt das, es ist schwer, mit ihm zu arbeiten?« fragte Brunetti.
    »Sie haben's erfaßt. Zur Zeit hat er zwei maestri, die an die zwei Jahre bei ihm sind: Meines Wissens der absolute Rekord in seiner fornace.«
    »Und woran liegt das?« fragte Vianello, der gerade allen dreien Wein einschenkte.
    »Na, weil er ein Scheißkerl ist!« Aber Navarro merkte offenbar selbst, daß er sich mit seinem Argument im Kreis drehte, denn er fügte hinzu: »Der nutzt jeden faulen Trick, um die Leute übers Ohr zu hauen.«
    »Könnten Sie uns ein Beispiel geben?« bat Brunetti.
    Hierauf schien Navarro zunächst einmal ratlos, so als sei die Aufforderung, ein Urteil zu belegen, etwas ganz Neues für ihn. Er trank sein Glas aus, goß sich nach, leerte auch das zweite Glas und verdrückte noch zwei grissini, bevor er endlich zu einer Antwort bereit war. »Er stellt vorsätzlich nur garzoni ein und entläßt sie wieder, bevor sie zu serventi aufsteigen, damit er ihnen keine höheren Löhne zahlen muß. Er behält die Jungs etwa ein Jahr, in dem sie entweder schwarzarbeiten oder mit immer wieder erneuerten Zwei-Monats-Verträgen, aber sobald ihre Beförderung ansteht und sie mehr verlangen könnten, kündigt er ihnen. Erfindet irgendeinen Vorwand, um sie loszuwerden, und stellt wieder billigen Nachwuchs ein.«
    »Aber wie lange kann er das durchhalten?« fragte Vianello.
    Navarro zuckte die Achseln. »Solange unsere jungen Männer händeringend Arbeit suchen, kann er's vermutlich ewig so weitertreiben.«
    »Und abgesehen davon?«
    »Er streitet und zankt in einem fort.«
    »Mit wem?« fragte Vianello.
    »Lieferanten, Arbeitern, den Bootsleuten, die den Sand bringen, oder denen, die seine Glaswaren abholen. Sowie es um Geld geht - und darum geht es in all diesen Fällen -, legt er sich mit Gott und der Welt an.«
    »Vor ein paar Jahren soll es in einer Bar ja sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein«, warf Brunetti wie beiläufig ein.
    »Ach, diese Geschichte!« entgegnete Navarro. »Das war vermutlich der einzige Streit, den nicht der Alte vom Zaun gebrochen hat. Irgendein Typ machte eine Bemerkung, die De Cal gegen den Strich ging, er konterte, und der Typ hat ihm eine geschmiert. Ich war nicht dabei, aber mein Bruder war Zeuge, und der haßt De Cal noch mehr als ich, das können Sie mir glauben. Wenn er also sagt, der Alte hat nicht angefangen, dann stimmt das auch.«
    »Was ist mit seiner Tochter?« fragte Brunetti.
    Bevor Navarro darauf antworten konnte, wurde die Pasta aufgetragen, und während sich alle drei über die Spaghetti hermachten, stockte die Unterhaltung fürs erste. Der Kellner kam noch einmal an ihren Tisch und brachte drei leere Teller für die Muschelschalen.
    »Peperoncini«, sagte Brunetti mit vollem Mund.
    »Gut, was?« meinte Navarro.
    Brunetti nickte, trank einen Schluck Wein und widmete sich wieder seinen Spaghetti, die besser waren als gut. Er nahm sich vor, Paola von den Peperoncini zu erzählen, die der Koch hier reichlicher verwendete als sie, gleichwohl aber mit schmackhaftem Resultat.
    Als ihre Teller leer, die für die Schalen dagegen voll waren, eilte der Kellner herbei und räumte den Tisch ab. Auf seine Frage, ob sie gut gegessen hätten, antworteten Brunetti und Vianello mit wahren Lobeshymnen; Navarro als Stammgast sah

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