Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
sich zu keiner Äußerung genötigt.
Gleich darauf kam der Fisch: Brunettis Scholle war bereits filetiert. Als der Kellner eine Schüssel Kartoffeln auf den Tisch stellte, bat Navarro um Olivenöl, und der Ober brachte eine Flasche von sichtlich bester Qualität. Alle drei träufelten sich Öl auf den Fisch, aber nicht über die Kartoffeln, die ohnehin schon in einer kleinen Lache schwammen. Wieder ruhte das Gespräch für ein Weilchen.
Erst als Vianello die letzten Kartoffeln aus der Schüssel löffelte, kam Brunetti auf seine Frage zurück: »Also was De Cals Tochter angeht - wissen Sie über die auch so gut Bescheid?«
Navarro schenkte sich den letzten Rest Wein ein und gab dem Kellner mit der leeren Karaffe ein Zeichen. »Assunta ist ein braves Mädchen, aber sie hat nun mal diesen Ingenieur geheiratet.«
Brunetti nickte. »Kennen Sie den Mann, oder wissen Sie etwas über ihn?«
»Er ist Ökologe«, sagte Navarro in einem Ton, in dem andere einen Päderasten oder Kleptomanen enttarnen mochten. Für ihn erübrigte sich damit offenkundig jede weitere Diskussion. Brunetti ließ es hingehen und beschloß, sich ahnungslos zu stellen. »Arbeitet er hier auf Murano?« fragte er.
»Gottlob nicht!« entfuhr es Navarro, während er dem Kellner den zweiten Liter Weißwein abnahm und reihum die Gläser füllte. »Er ist irgendwo auf dem Festland beschäftigt und bestimmt dort die raren Plätze, an denen es uns noch gestattet ist, unseren Müll loszuwerden.« Er trank ein halbes Glas Wein, dann, vielleicht um den Gedanken an Ribettis lästige Berufspflichten herunterzuspülen, leerte er es ganz.
»Dabei haben wir hier zwei tadellose Verbrennungsöfen, warum nutzen wir die nicht? Oder wenn es sich um giftige Stoffe handelt, wieso vergräbt man die nicht irgendwo im Gelände oder verschifft sie nach Afrika oder China? Für die da unten ist das ein rentables Geschäft. Was spricht also dagegen? Die haben schließlich dort diese riesigen Wüsten, soll man das Zeug doch da verbuddeln.«
Brunetti sah verstohlen zu Vianello hinüber, der gerade seine letzte Kartoffel verdrückte. Jetzt legte der Inspektor das Besteck auf den Teller und nahm, wie Brunetti befürchtet hatte, Navarro aufs Korn. »Wenn wir selber Atomkraftwerke bauen, könnten wir den toxischen Müll der anderen gleich mit entsorgen. Und dann bräuchten wir auch nicht mehr für teures Geld den ganzen Strom aus der Schweiz und von den Franzosen zu importieren«, schloß er und bedachte erst Navarro, dann Brunetti mit einem markigen Grinsen.
»Stimmt«, meinte Navarro, »darauf bin ich noch gar nicht gekommen. Ist aber eine gute Idee.« Er lächelte bewundernd, ehe er sich wieder Brunetti zuwandte. »Was interessiert Sie sonst noch an De Cal?«
»Ich habe läuten hören, daß er die fornace verkaufen will«, ging Vianello nun, da er sich bei Navarro Respekt verschafft hatte, ungeniert dazwischen.
»Ja, das habe ich auch gehört«, bestätigte Navarro, doch es klang nicht sonderlich interessiert. »Aber solche Gerüchte gibt's immer wieder.« Er ging mit einem Achselzucken darüber hinweg. »Und wenn ihm einer seine Firma abkauft, dann nur Fasano. Ihm gehört die Glasbläserei gleich neben der von De Cal, also bräuchte er, wenn er den Betrieb des Alten übernimmt, nur die beiden Hütten zusammenzulegen, und schon würde sich seine Produktion verdoppeln.« Navarro dachte eine Weile über diese Möglichkeit nach und nickte vor sich hin.
»Fasano ist doch der Präsident des Glasbläserverbandes, nicht wahr?« fragte Vianello, als eben der Kellner eine zweite Schüssel Kartoffeln brachte. Der Inspektor ließ sich ein paar auftun, aber Navarro und Brunetti lehnten dankend ab.
Auf Vianellos Frage hin grinste Navarro dem Kellner zu und sagte: »Das ist er heute, aber wer weiß, wie hoch der hinauswill?« Der Kellner nickte dazu und ging.
Brunetti, der fürchtete, sie könnten vom Thema abkommen, schaltete sich ein und sagte: »Es soll wohl auch Gerüchte geben, wonach De Cal seinen Schwiegersohn bedroht hat.«
»Sie meinen, daß der Alte behauptet, er würde ihn umbringen?«
»Ja«, bestätigte Brunetti.
»In den Bars hat er tatsächlich so was gesagt, aber dann war er in der Regel besoffen. Trinkt zuviel, der alte Scheißkerl«, befand Navarro und füllte aufs neue sein Glas. »Er hat Diabetes und sollte die Finger vom Alkohol lassen, aber ...« Navarro brach ab und überlegte einen Moment. Dann fuhr er fort: »Das ist komisch, wissen Sie, aber die letzten zwei
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