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Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas

Titel: Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Anschein nach eine Vase werden sollte und auf dessen Rand sein servente gerade ein tropfenförmiges rotes Glasklümpchen setzte. Die Zange des maestro verband die Spitze dieses Tropfens mit dem Vasenhals, zog ihn dann wie einen Kaugummi in die Länge, bis hinunter zum Bauch des Gefäßes, wo behutsam das andere Ende befestigt wurde. Ein rascher Schnitt, die Konturen geglättet, und fertig war der erste Henkel.
    »Bei denen sieht das so leicht aus«, sagte Brunetti hörbar staunend.
    »Ist es für sie wohl auch. Gianni ist schließlich schon sein Leben lang dabei. Manche Stücke könnte er inzwischen wohl im Schlaf modellieren.«
    »Wird es dir eigentlich auch mal über?« fragte Brunetti.
    Sie wandte sich um, versuchte ihm am Gesicht abzulesen, wie ernst die Frage gemeint war. Offenbar kam sie zu dem Schluß, er spaße nicht, denn sie antwortete gewissenhaft: »Der kreative Teil nicht. Nein. Nie. Aber den Papierkrieg, wenn ich so sagen darf, ja, den habe ich satt, sogar gründlich! All diese nicht enden wollenden Bestimmungen, Finanzrichtlinien und Verordnungen.«
    »Welche Bestimmungen meinst du?« Brunetti war gespannt, ob sie abermals die Ökogesetze anführen würde, für die ihr Mann sich so stark machte.
    »Diejenigen, die mir vorschreiben, wie viele Kopien von jeder Quittung ich machen und wem ich sie zustellen muß; und die bezüglich der Formulare, die für jedes Kilo Rohstoffe, das wir beziehen, auszufüllen sind.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ganz zu schweigen von dem leidigen Steuerkrempel.«
    Hätte er sie besser gekannt, wäre Brunetti versucht gewesen zu entgegnen, daß es ihr da doch sicher gelänge, einiges zu umgehen. Aber ihre Freundschaft war noch nicht soweit gediehen, als daß sie das Finanzamt offen zum gemeinsamen Feind erklärt hätten, und darum begnügte er sich mit dem Satz: »Ich hoffe, du findest jemanden, der dir den Papierkram abnimmt, damit du dich auf das konzentrieren kannst, was dir am Herzen liegt.«
    »Ja«, versetzte sie zerstreut, »das wäre schön.« Dann schüttelte sie ab, was immer seine Worte in ihr ausgelöst hatten, und fragte: »Möchtest du auch noch das übrige sehen?«
    »Ja«, gestand er lächelnd. »Ich bin gespannt, was sich seit meiner Kindheit alles verändert hat.«
    »Wie alt warst du denn damals, bei deinen ersten Ausflügen nach Murano?«
    Es dauerte eine Weile, bis Brunetti im Geiste die Jobs durchgegangen war, an denen sein Vater sich in den letzten Jahren seines Lebens versucht hatte. »Ich muß ungefähr zwölf gewesen sein.«
    Assunta lachte. »Also genau im richtigen Alter für einen garzon.«
    Brunetti stimmte in ihr Gelächter ein. »Genau das wäre damals mein Traum gewesen. Und später, malte ich mir aus, würde ich maestro werden und die schönsten Glaskreationen entwerfen.«
    »Aber?« fragte Assunta, schon zum Ausgang gewandt.
    Obwohl sie ihn nicht sehen konnte, zuckte Brunetti mit den Achseln. »Aber es kam eben anders.«
    Etwas in seinem Ton ließ sie offenbar aufhorchen, denn sie blieb stehen und drehte sich nach ihm um. »Bereust du es?«
    Brunetti schüttelte den Kopf. »So denke ich nicht«, sagte er. »Außerdem gefällt mir mein Leben, wie es ist.«
    Assunta lächelte zurück und meinte: »Wie wohltuend, jemanden das sagen zu hören.« Damit ging sie ihm voraus über den Hof und trat gleich rechts durchs Tor in die nächste Werkstätte, die molatura. Drinnen nahm ein niedriger Holztrog, über dem mehrere Hähne montiert waren, eine ganze Längswand ein. Davor standen zwei junge Männer in Gummischürzen, der eine mit einer Karaffe, der andere mit einer Vase ganz ähnlich der, welche der maestro nebenan gerade modelliert hatte.
    Brunetti sah zu, wie sie die rohen Werkstücke an die Schleifscheiben hielten und Rundung für Rundung polierten. Aus den Hähnen floß ein steter Wasserstrahl über Schleifstein und Glas, was, wie Brunetti sich erinnerte, zur Kühlung diente und verhindern sollte, daß in der Hitze ein Werkstück zersprang oder herumfliegende Glaspartikel in die Luft und beim Einatmen in die Lungen der Arbeiter gerieten. Das Wasser spritzte über Schürzen und Stiefel der Männer und sammelte sich in kleinen Lachen am Boden, doch das meiste wurde in den Trog gespült, an dessen Ende es, vom Glasstaub grau gefärbt, in einem Rohr verschwand.
    Auf einem Holztisch gleich beim Eingang warteten Vasen, Becher, Schalen und Statuen darauf, hier den letzten Schliff zu erhalten. Brunetti sah die Kratzer und Schrammen von Scheren und

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