Brunetti 15 - Wie durch ein dunkles Glas
kehrtmachte und wieder Platz nahm. »Auch wenn es Sie überraschen mag, Brunetti, aber dies ist eine Questura!« Er beugte sich über die Tischplatte und wies mit dem Finger auf den Commissario. »Und kein Zelt in der Wüste, wohin die Leute pilgern, damit Sie ihnen die Karten legen und Séancen abhalten.«
Brunetti warf Patta einen kurzen Blick zu, bevor er sich auf einen Punkt auf dem Schreibtisch zwischen ihnen konzentrierte.
»Haben Sie mich verstanden, Brunetti?«
Als der Commissario keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, wiederholte Patta schroff: »Ob Sie mich verstanden haben, Brunetti?«
»Ja, Dottore, durchaus«, sagte Brunetti, selbst überrascht, wie sehr das der Wahrheit entsprach. Dann stand er auf.
»Und was haben Sie nun mit diesen Zahlen vor, Brunetti?« fragte Patta scharf. Seine Stimme klang sarkastisch und zugleich drohend.
»Die Verweise auf Dante werde ich behalten, Dottore. Es ist immer gut zu wissen, wo man die Heuchler und die Opportunisten findet.«
Pattas Gesicht erstarrte, aber er hatte offenbar noch nicht genug. »Und Ihre Gesetze und Koordinaten?«
»Ach, ich weiß nicht, Dottore«, sagte Brunetti und wandte sich zur Tür. »Aber es kann nie schaden, wenn man die Gesetze kennt und weiß, wo genau man steht.« Er öffnete die Tür, wünschte sehr höflich »Buon giorno« und schloß die Tür hinter sich.
21
A ls Brunetti aus Pattas Büro kam, nahm er im Vorzimmer von Signorina Elettra den Ordner entgegen, den sie ihm reichte, dankte ihr dafür und vergewisserte sich, daß er das Blatt mit Tassinis Koordinaten bei sich trug. Dann verließ er die Questura und ging hinunter zum Kanal. Foa war nirgends zu sehen, doch er fand ihn schließlich in der Bar an der Brücke, wo der junge Bootsführer einen Kaffee trank und La Gazzetta dello Sport las.
Er lächelte, als er Brunetti hereinkommen sah. »Für Sie auch einen Kaffee, Commissario?«
»Sehr gern.« Brunetti wünschte, er hätte sich in irgendeiner Sportart gut genug ausgekannt, um sich angemessen darüber zu unterhalten. Statt dessen konnte er nur anmerken, wie warm es schon sei.
Als der Kaffee vor ihm stand, fragte Brunetti: »Haben Sie eigentlich so ein Navigationsgerät, Foa?«
»Ein GPS, Commissario?«
»Ja.«
»Auf dem Boot, Commissario«, antwortete Foa. »Brauchen Sie's?«
»Ja.« Brunetti rührte in seinem Kaffee. »Haben Sie gerade viel zu tun?«
»Abgesehen davon, daß ich mich über diese unverbesserlichen Clowns ärgern muß, eigentlich gar nichts.« Foa schlug mit dem Handrücken auf die Zeitungsseite. »Wieso, müssen Sie irgendwohin, Commissario?«
»Ja, rüber nach Murano«, antwortete Brunetti.
Auf dem Weg zum Boot erklärte Brunetti, was es mit Tassinis Zahlen auf sich hatte, und ließ sich Foas Kompliment dafür, daß er sie entschlüsselt habe, anstandslos gefallen. An Bord schloß Foa ein Fach am Armaturenbrett auf und entnahm ihm ein Instrument mit verglastem Gehäuse. Das GPS-Gerät war kaum größer als ein telefonino und zeigte sowohl die Nordausrichtung an als auch die genauen Koordinaten am jeweiligen Standort des Instruments. Foa stellte es vor sich auf die Ablage und warf den Motor an. Das Boot legte ab, bog binnen kurzem in den Rio di Santa Giustina ein und trug sie rasch hinaus in die Lagune.
»Wie geht denn das?« fragte Brunetti und nahm das GPS-Gerät zur Hand. Als Kind einer autolosen Stadt hatte er stets Venedig für sein technisches und technologisches Ungeschick verantwortlich gemacht, obwohl er wußte, daß er in Wahrheit selbst der Schuldige war oder vielmehr sein mangelndes Interesse dafür, wie diese Dinge und insbesondere die raffinierten technischen Spielereien funktionierten.
»Über Satelliten«, antwortete Foa, der sich spontan entschloß, quer durchs Kielwasser eines Vaporettos der Linie 42 zu schneiden, das Kurs auf den Friedhof nahm. Ihr Boot schwankte so heftig, daß Brunetti sich an der Reling festklammern mußte, während Foa sich wie selbstverständlich dem Auf und Ab der Wellen überließ. Er nahm die rechte Hand vom Steuer und deutete himmelwärts. »Die kreisen haufenweise da oben rum, erfassen Daten, machen Aufzeichnungen und behalten das Geschehen im Auge.« Und nach einer Pause setzte er hinzu: »Wahrscheinlich fotografieren sie auch schon, was wir frühstücken.«
Brunetti entschied sich, diese Einleitung zu ignorieren, und Foa kehrte zu den prosaischen Fakten zurück. »Der Satellit sendet Signale aus, an denen Sie genau erkennen können, wo Sie sich
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