Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen
Nummern geben. Oder Sie könnten auch meine Sekretärin anrufen, die sucht sie Ihnen gerne raus.« Bevor Franchi etwas einwenden konnte, fügte Brunetti hinzu: »Und so leid es mir tut, Dottore, aber auch Ihre Kollegen haben keinen Zutritt, bevor nicht die Spurensicherung hier war.«
»Letztes Mal gab's das alles nicht«, stellte Franchi fest, und seine Stimme triefte vor beißendem Spott.
»Diesmal sieht es aber auch nicht nach einem simplen Einbruchsdiebstahl aus, Dottore«, erwiderte Brunetti ruhig.
Franchi nahm zwar, wenn auch sichtlich ungehalten, das telefonino, machte jedoch keine Anstalten, es zu benutzen. »Was ist mit den anderen Sachen drüben?« fragte er und wies mit dem Kopf in Richtung seines Büros.
»Bedaure, aber das gehört alles zum Tatort und bleibt folglich gesperrt, Dottore.«
Nach Franchis Miene zu urteilen, kochte er vor Wut, doch alles, was er sagte, war: »Meine ganze Buchführung ist in diesem Computer gespeichert: angefangen bei den Rechnungen der Lieferanten über meine eigenen Bilanzen bis hin zu den ULSS-Dateien. Und den Versicherungsunterlagen. Ich könnte vielleicht bis heute nachmittag einen neuen PC beschaffen, aber der nützt mir nur was, wenn ich die Festplatte vom alten haben und die Dateien übertragen kann.«
»Das ist leider unmöglich, Dottore.« Brunetti widerstand der Versuchung, mit ein bißchen Computerslang aufzutrumpfen und einen oft zitierten Satz anzufügen, von dem er sogar meinte, daß er ihn verstanden habe: »Noch nie was von Backup gehört?« Statt dessen sagte er: »Ich weiß nicht, ob Sie es schon bemerkt haben, aber der Täter hat auch Ihren Rechner aufgebrochen. Ich bezweifle, daß Sie daraus noch irgendwas retten können.«
»Aufgebrochen?« echote Franchi, als wäre der Begriff ihm völlig neu und er wüßte nichts damit anzufangen.
»An der Rückwand aufgestemmt, um genau zu sein. Ist es nicht so, Vianello?« fragte Brunetti den Inspektor, der eben hinzukam.
»Geht's um diesen Blechkasten?« fragte Vianello wie einer, der nicht bis drei zählen kann. »Ja, stimmt, den hat der Täter geknackt, um sich zu holen, was immer da drin war.« Es klang, als mache der Inspektor kaum einen Unterschied zwischen einem Computer und einem Sparschwein. »Bocchese«, sagte er, das Thema wechselnd, »ist schon unterwegs.«
Bevor Franchi Zeit hatte zu fragen, erklärte Brunetti: »Die Spurensicherung. Sicher werden sie als erstes Fingerabdrücke nehmen.« Mit einer galanten Verbeugung zu Eleonora Invernizzi hin, die dem Gespräch mit offenkundigem Interesse gefolgt war, fuhr er fort: »Die Signora war so umsichtig, die Apotheke gar nicht erst zu betreten, als sie das aufgebrochene Schloß bemerkte. Falls der Täter Spuren hinterlassen hat, dürften die also noch vorhanden sein. Man wird Ihre Fingerabdrücke nehmen«, setzte er, an beide gewandt, hinzu, »um sie von etwaigem Spurenmaterial abzugrenzen. Das gilt natürlich auch für das übrige Personal, aber damit können wir sicher noch einen Tag warten.«
Signora Invernizzi nickte, und Franchi folgte ihrem Beispiel.
»Ich möchte Sie noch einmal ausdrücklich bitten, nichts anzurühren, bis meine Männer alle Spuren gesichert haben«, schloß Brunetti.
»Wie lange wird das dauern?« fragte Franchi.
Brunetti sah auf seine Uhr. Es war kurz vor elf. »Wenn Sie heute nachmittag um drei wiederkommen, Dottore, dann sind wir sicher mit allem fertig.«
»Und kann ich ...« Doch statt seine Frage zu beenden, nahm Franchi einen neuen Anlauf und sagte: »Ich würde gern einen Kaffee trinken gehen. Ist es Ihnen recht, wenn ich später wiederkomme, wegen der Fingerabdrücke?«
»Aber sicher, Dottore«, stimmte Brunetti zu.
Er war gespannt, ob der Apotheker Signora Invernizzi auffordern würde, ihn zu begleiten, was nicht geschah. Franchi gab Brunetti sein telefonino zurück, ging, einen Bogen um Vianello machend, den Flur hinunter zum Ausgang und verschwand ohne ein weiteres Wort.
»Wenn Sie gestatten, möchte ich auch gehen«, sagte Signora Invernizzi. »In einer Stunde bin ich zurück, aber jetzt will ich erst einmal nach Hause und mich von dem Schreck erholen.«
»Selbstverständlich, Signora«, sagte Brunetti. »Soll der Inspektor Sie bringen?«
Die Frage entlockte Signora Invernizzi ein erstes Lächeln und machte sie um zehn Jahre jünger. »Das ist sehr freundlich, Commissario. Aber ich wohne gleich hinter der Brücke. Ich bin vor zwölf zurück, ja?«
»Natürlich«, sagte Brunetti und geleitete sie bis zum
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