Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen
rückwärtigen Ausgang, der auf die calle führte. Er trat mit ihr vor die Tür, verabschiedete sich und sah ihr nach. An der Ecke, wo die Gasse in den Campo Sant'Angelo mündete, drehte sie sich um und winkte ihm kurz zu.
Brunetti winkte zurück und ging dann wieder in die Apotheke.
17
D ieser ›Blechkasten‹, Lorenzo?« fragte Brunetti. »Ist das Computerchinesisch für ›Festplatte‹?« Daß ihm der Begriff so geläufig über die Lippen ging, erfüllte ihn mit Stolz, auch wenn ihm dies, wie er meinte, nicht anzumerken war.
»Nein, ganz im Gegenteil«, antwortete Vianello grinsend. »Ich will unseren Apotheker glauben machen, daß er es mit einem IT-Analphabeten zu tun hat - wenn nicht gar mit zweien - und daß keiner von uns auf die Idee käme, sich zu wundern, warum er seine Festplatte partout nicht rausrücken wollte.«
»Weil wir sie nicht in die Finger kriegen sollten?« mutmaßte Brunetti.
»Genau!« bestätigte Vianello.
»Was mag denn wohl drauf sein?«
Vianello hob die Schultern. »Auf jeden Fall etwas, das er vor uns verbergen will. Könnten die getürkten Arzttermine sein.« Vianello überdachte die Frage noch ein Weilchen, bevor er hinzufügte: »Oder er ist im Internet auf Webseiten oder in Chaträumen unterwegs, wo man ihn nicht erwischen sollte.«
»Kannst du das irgendwie rauskriegen?« wollte Brunetti wissen.
Lächelte Vianello? »Ich könnt's nicht«, sagte er, und ehe Brunetti fragen konnte, setzte er hinzu: »Und Signorina Elettra auch nicht.« Nach einem Blick auf Brunettis erstauntes Gesicht fuhr er fort: »Die Festplatte ist beschädigt, und weder sie noch ich haben Erfahrung damit, wie man in so einem Fall die gespeicherten Daten wiederherstellen kann. Dazu brauchst du einen richtigen Spezialisten.«
»Aber du kennst so jemanden?« forschte Brunetti hoffnungsvoll.
»Nicht ich, sie.« Ein seltsames Zucken huschte über Vianellos Züge: Brunetti hatte Vergleichbares auf den Gesichtern von Männern beobachtet, die aus Eifersucht getötet hatten. »Sie weigert sich, mir zu sagen, wer es ist.« Der Inspektor seufzte. »Wahrscheinlich wird sie Franchis Festplatte an ihn weiterreichen.«
»Dann sorge ich dafür, daß Bocchese sie mitnimmt.« Brunetti, der darüber nachsann, was wohl auf der Festplatte drauf sein mochte, mußte verdrossen einsehen, wie begrenzt seine Vorstellungskraft in dieser Hinsicht war. »Wenn Signorina Elettra sie zu ihrem Fachmann bringt - glaubst du, der wird feststellen können, was drauf war?« erkundigte er sich endlich bei Vianello.
»Hängt ganz davon ab, wie groß der Schaden ist«, antwortete der Inspektor. Dann fuhr er sehr langsam und bedächtig fort: »Doch Elettra hat mir versichert, er sei sehr gut und sie habe eine Menge gelernt von ihm.«
»Sonst hat sie nichts über ihn erzählt?«
»Keine Silbe. Womöglich ist es der frühere Direktor der Banca d'Italia«, antwortete Vianello. Schmunzelnd setzte er hinzu: »Der hat jetzt schließlich sehr viel Freizeit, nicht wahr?«
Was Brunetti geflissentlich überhörte.
Bocchese und die Spurensicherung erschienen zwanzig Minuten später. Gut eine Stunde standen Brunetti und Vianello sich dann die Beine in den Bauch, während die aufgebrochene Eingangstür, Regale und Ladentheke sowie Schreibtisch und Computer fotografiert und auf Fingerabdrücke untersucht wurden. Brunetti machte Bocchese auf die Blutflecken aufmerksam und schärfte ihm ein, vor allem die Festplatte sicherzustellen.
Signora Invernizzi kehrte kurz nach zwölf zurück und verblieb auf der Kundenseite des Ladentischs, während einer der Kriminaltechniker ihre Fingerabdrücke nahm. Sie war noch da, als Dottor Franchi erschien und sich der gleichen Prozedur unterzog, allerdings merklich unwilliger. Er erkundigte sich, wann die Untersuchungen abgeschlossen seien, weil er die Apotheke herrichten und, wenn möglich, am nächsten Tag wieder öffnen wolle. Boccheses Assistent versprach ihm, daß sie in einer Stunde das Feld räumen würden, worauf Franchi ankündigte, er werde einen fabbro holen und das Schloß am Personaleingang erneuern lassen. Brunetti war gespannt, ob Signora Invernizzi erneut auf eine porta blindata dringen würde, doch sie sagte nichts.
Als die beiden gegangen waren, kehrte Brunetti in das enge Büro zurück, wo Bocchese vor einer Wand hockte und einen Blutspritzer etwa eine Handbreit über dem Boden abkratzte. Neben ihm lag, in einer Beweistüte verstaut, das Buch mit dem Blutfleck auf dem Umschlag.
»Hast du dich
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