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Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen

Titel: Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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nein.« »Ah!«
    »Das können Sie laut sagen, Commissario. Glauben Sie mir, Pedrolli ist nicht der Vater. Wir wußten das, bevor wir in jener Nacht zu ihm rein sind.«
    »Verstehe. Tja dann ... haben Sie vielen Dank, Capitano. Sie haben mir sehr geholfen.«
    »Freut mich zu hören, Commissario. Ach, und falls Sie dann ruhiger schlafen können, schicke ich Ihnen gern eine Kopie unseres Zeugenprotokolls. Wenn Sie wollen, per Mail.«
    »Das wäre wirklich sehr freundlich.«
    »Wird sofort erledigt, Commissario.«
    »Nochmals danke, Capitano.«
    »Gern geschehen. Arrivederci.« »Arrivederci, Capitano.«
    Keine Stunde später hatte Brunetti die Kopie der eidesstattlichen Aussage jener Albanerin vorliegen, die auf dem Geburtsschein von Pedrollis Sohn als Kindsmutter ausgewiesen war. Das Protokoll war zum Abschluß einer zweitägigen Befragung erstellt worden und vier Tage vor der Razzia der Carabinieri datiert. Ein einfacher Computercheck hatte die Frau in Cosenza ermittelt, wo sie, zwei Tage nachdem sie ihr neugeborenes Kind als Sohn eines italienischen Vaters hatte eintragen lassen, sehr wohl einen permesso di soggiorno zugesprochen bekam. Bei der Befragung hatte sie zunächst angegeben, das Kind befände sich in der Obhut seiner Großeltern in Albanien. Und sie beteuerte, es wäre reiner Zufall, daß ihr Ehemann, ebenfalls Albaner und ohne Aufenthaltserlaubnis in Italien weilend, kurz nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus ein neues Auto gekauft hätte. Er habe, so behauptete sie, als Steinhauer gearbeitet und monatelang auf den Wagen gespart. Auch bestände keinerlei Zusammenhang zwischen dem Verschwinden ihres Sohnes und den drei Monatsmieten Kaution für eine Wohnung, die ihr Mann noch am Tag des Autokaufs hinterlegt hatte.
    In einem späteren Stadium der Befragung beharrte sie immer noch darauf, daß der Italiener, dessen Name ihr entfallen war und den sie auch nur unzulänglich beschreiben konnte, der Kindsvater sei. Als man ihr aber mit Haftstrafe und Auslieferung drohte, falls sie nicht die Wahrheit sagte, änderte sie ihre Geschichte dahingehend, daß in den letzten Wochen vor der Niederkunft ein Mann an sie herangetreten sei, dessen Frau nach seiner Aussage keine Kinder bekommen konnte. Ihrer ersten Version zufolge hatte der Mann sie auf eigene Faust und ohne Mittelsmänner gefunden. Doch nach wiederholtem Hinweis auf die drohende Ausweisung erklärte sie, einer der Ärzte im Krankenhaus - an den Namen konnte sie sich nicht erinnern - hätte sie miteinander bekannt gemacht und gesagt, der Mann, der mit ihr sprechen wolle, sei ebenfalls Arzt. Nach der Geburt des Kindes habe sie eingewilligt, den Dottore als Kindsvater eintragen zu lassen, weil sie glaubte, ihr Sohn habe eine größere Chance auf ein anständiges Leben, wenn er als Italiener in einer italienischen Familie aufwachse. Zum Schluß gab sie dann auch zu, von dem Mann Geld bekommen zu haben, allerdings nicht als Bezahlung, sondern als Geschenk. Nein, an die Höhe des Betrags könne sie sich nicht erinnern.
    Das albanische Ehepaar stand derzeit unter Hausarrest, aber der Mann durfte weiter seiner Arbeit nachgehen. Über ihr Bleiberecht würde das Gericht entscheiden. Als Brunetti das Protokoll zu Ende gelesen hatte, stellte sich ihm die Frage, warum die Vernehmungsbeamten sich so leicht mit der Darstellung der Frau zufriedengegeben hatten, als es um Pedrollis Kontaktaufnahme zu ihr ging: Ebensogut hätte der Doktor von einer Wolke herabgestiegen sein können. Einer der Ärzte im Krankenhaus hätte sie miteinander bekannt gemacht, hatte die Kindsmutter ausgesagt. Schön, aber wer genau? Und aus welchem Grund?
    Während er noch so grübelte, fiel Brunetti plötzlich auf, daß die Frau - hierin Bianca Marcolini erschreckend ähnlich - keinerlei Interesse an ihrem Kind oder dessen weiterem Schicksal bekundet hatte. Da verschloß er das Protokoll in seinem Schreibtisch und ging nach Hause.
    Vor dem Abendessen fand Brunetti Gelegenheit, sich wieder den Reisen des Marquis de Custine zu widmen. Mit dem französischen Aristokraten als Führer und Wegbegleiter landete er in Sankt Petersburg und vertiefte sich in Betrachtungen der russischen Seele, die laut de Custine im Rausch der Unterdrückung schwelgte. Brunetti ließ das aufgeschlagene Buch sinken und geriet unversehens ins Träumen; erst als Paola neben ihm Platz nahm, kam er wieder zu sich.
    »Ich habe ganz vergessen, dir was zu erzählen«, sagte sie.
    Brunetti verabschiedete sich vom Newski Prospekt

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