Brunetti 16 - Lasset die Kinder zu mir kommen
ihrem Hacker bekommen«, erklärte Vianello. »Man kann es also noch nicht mit Gewißheit sagen, aber wie's aussieht, haben sämtliche von Franchi arrangierten Konsultationen auch stattgefunden.« Als Brunetti nichts darauf erwiderte, fuhr der Inspektor fort: »Elettra hat bereits die anderen Apotheker überprüft. Einer hat die letzten zwei Jahre bloß siebzehn Termine vereinbart, und die wurden alle wahrgenommen: Wir haben die Patienten befragt. Andrea ist nicht an das Netzwerk angeschlossen, scheidet also aus. Beim dritten auf unserer Liste hat Elettra die Termineinträge in den Krankenhausakten hier und in Mestre gegengecheckt, und in fast allen Fällen stimmten sie mit den Daten des Apothekers überein. Aber dann sind wir auf einen gestoßen« - jetzt konnte Vianello vor Erregung kaum noch an sich halten -, »der drei Termine für Personen vereinbart hat, die keiner ärztlichen Hilfe bedurften.«
»Verrat's mir, Lorenzo«, bat Brunetti, um Zeit zu sparen.
»Sie sind tot«, sagte Vianello.
»Du meinst, sie starben an der verordneten Therapie?« fragte Brunetti entgeistert und wunderte sich, wieso er nichts davon mitbekommen hatte.
»Nein! Sie waren bereits tot, als die Termine vereinbart wurden.« Vianello hielt inne, damit er seine kleine Sensation auskosten und Brunetti sie verarbeiten konnte, dann fuhr er fort: »Der Apotheker ist offenbar leichtsinnig geworden und hat auch die Patientennummern von Kunden eingegeben, die gar nicht mehr zu ihm kamen. Vielleicht dachte er, sie seien verzogen, oder womöglich« - und hier setzte Vianello jene pointierte Pause, die er immer machte, bevor er eine vermeintliche Bombe platzen ließ - »womöglich leidet er schon an Gedächtnisschwund. Gut möglich, in dem Alter.«
»Gabetti?« fragte der Commissario.
»Richtig geraten!« feixte Vianello.
»Laß gut sein, Lorenzo. Du hast gewonnen«, sagte Brunetti lächelnd. »Wie war das nun mit den Arztterminen für verstorbene Patienten?«
»Also der betreffende Arzt hat in seiner Datei jeweils die Untersuchung des Patienten bestätigt, ein - immer harmloses - Leiden diagnostiziert und abschließend der Kasse seine Konsultation in Rechnung gestellt.«
»Sehr leichtsinnig«, kommentierte Brunetti. »Oder besonders dreist. Was sind denn das für Ärzte?«
»Immer dieselben drei. Sie haben in allen Fällen die Termine bestätigt und dafür kassiert.« Fast widerstrebend setzte Vianello hinzu: »Franchi hat nie einen seiner Kunden zu einem von diesen dreien geschickt.«
»Ich wüßte aber gern, was er statt dessen angestellt hat«, entgegnete Brunetti. Und fragte dann: »Wieso kann Signorina Elettras Freund uns die Dateien erst morgen schicken?«
»Computertücken«, brummte Vianello.
»Also hör mal, ich bin doch kein Neandertaler!« Auch wenn Brunetti dabei lächelte, klang sein Einwurf verdächtig nach einer Rechtfertigung.
»Elettra sagt, es hängt damit zusammen, wie Franchi seine Dateien geschützt hat: Um sie zu öffnen, ist für jede ein eigener Code erforderlich. Und an die Patientennummern kommt man wiederum nur mittels eines anderen Zugangscodes ... Soll ich weitermachen?« fragte Vianello.
Brunettis Lächeln war kläglich in sich zusammengefallen. »Morgen, hat sie gesagt?«
»Ja.«
»Und bis dahin?«
»Telefonieren wir die übrigen Patienten ab, denen Gabetti Termine besorgt hat, und erkundigen uns, ob sie mit der verordneten Therapie zufrieden waren. Und wenn wir mit der Liste durch sind, können wir darangehen, das Ärztetrio vorzuladen und ihnen ein paar unbequeme Fragen zu stellen.«
Brunetti schüttelte den Kopf. »Nein, erst möchte ich wissen, was Franchi im Schilde führt. Bist du sicher, daß er keinen Verdacht geschöpft hat, als du seinen Computer einen ganzen Tag lang konfisziert hattest?«
Es sah aus, als hätte Vianello bei dieser Frage vor Freude am liebsten in die Hände geklatscht. »Ich hab ihn von Alvise zurückbringen lassen«, sagte er.
Da lachte Brunetti schallend.
Als er die Questura bereits um fünf Uhr nachmittags verließ, tat Brunetti dies guten Gewissens, denn seine Frau, die ihm weitere Informationen über Pedrolli in Aussicht gestellt hatte, würde damit bestimmt nicht in seinem Büro vorbeikommen. Allerdings mußte er sich auch eingestehen, daß alles, was Paola noch in Erfahrung gebracht hatte, inzwischen wohl nicht mehr von Belang war. Was immer man Pedrolli künftig anlasten mochte, würde sich mit dem Wink eines Scheckbuchs verflüchtigen oder einem Machtwort von
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