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Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Hunden gemacht hatte.
    »Ist ja gut. Ist ja gut. Ich tu dir doch nichts.« Es schlug noch ein paarmal aus, und Brunetti vernahm ein Keuchen, das aber langsam verebbte. Dann hörte es auch auf zu strampeln und hing schlaff in seinen Armen. »Ich lass dich jetzt runter«, sagte Brunetti. »Pass auf, wo du hintrittst, und fall mir nicht um.« Das Geschöpf blieb schlaff und teilnahmslos. »Kannst du mich verstehen?«
    Unter der Kapuze eines schmutzigen Anoraks nickte es, und Brunetti ließ das Bündel sachte zu Boden gleiten. Er spürte, wie die Füße einer nach dem anderen das Pflaster erreichten, und während er ihn noch an den Armen gepackt hielt, spannte sich der ganze Körper zur Flucht. Da hob er das Kind mühelos wieder hoch und sagte: »Versuch nicht, wieder wegzulaufen! Ich bin viel schneller als du.«
    Als die Spannung wich, ließ Brunetti das Kind erneut herunter. Die Spitze der Kapuze reichte ihm ein paar Zentimeter über den Gürtel. »Ich lasse dich jetzt los«, kündigte er an. Als das geschehen und er ein paar Schritte zurückgetreten war, sagte er zum Rücken des Anoraks: »Wenn du willst, kannst du mit mir reden.«
    Keine Antwort. »Bist du mir deshalb gefolgt?«, forschte Brunetti. »Weil du mit mir sprechen wolltest?«
    Er sah eine Kopfbewegung, deren Bedeutung jedoch nicht auszumachen war. »Also gut. Dann lass uns reden.«
    Eine schmutzige kleine Hand stahl sich aus dem Anorakärmel und wies Brunetti an, noch weiter zurückzutreten. Da die calle eine Sackgasse war und er den Ausgang blockierte, kam er dem Wunsch nach und wich ganze zwei Schritte zurück. »So, jetzt bin ich weit genug weg von dir. Nun können wir reden.«
    Brunetti lehnte sich mit dem Rücken an eine Hauswand und verschränkte die Arme. Sein Blick war auf die Fassade gegenüber gerichtet, in Wahrheit aber konzentrierte er sich mit allen Sinnen auf das Kind.
    Es mochte eine Minute vergangen sein, vielleicht auch mehr, als das Kind sich endlich umdrehte. Unter dem Schatten, den die Kapuze warf, erkannte Brunetti Augen und Mund, aber nicht viel mehr. Er steckte die Hände in die Taschen und rückte noch einen Schritt zur Seite, so dass sich dem Kind ein Schlupfloch bot. Er sah, dass es mit dem Gedanken zu fliehen spielte und es dann ließ.
    Das Kind schob dieselbe Hand, mit der es ihn fortgewunken hatte, in die Vordertasche seines Anoraks. Als sie wieder zum Vorschein kam, machte das Kind einen Schritt auf Brunetti zu und öffnete die Faust, in der es zwei kleine Gegenstände hielt. Brunetti wagte sich vorsichtig einen Schritt näher und beugte sich vor, um besser sehen zu können. Es waren ein Ring und ein Manschettenknopf.
    Brunetti ging in die Hocke und streckte die Hand nach dem Kind aus, das wieder einen kleinen Schritt auf ihn zu machte. Es war ein Junge, dem Anschein nach nicht älter als acht, doch Brunetti wusste, dass der Bruder des toten Mädchens zwölf war. Das Kind ließ die beiden Schmuckstücke in Brunettis ausgestreckte Hand fallen.
    Die silberne Fassung des Manschettenknopfs umschloss einen rechteckig geschliffenen kleinen Lapislazuli. Dass der rote Stein in dem Ring dagegen nur aus Glas war, erkannte selbst Brunetti. Er sah das Kind an, dessen Blick fest auf ihn gerichtet war. »Wer hat dich geschickt?«, fragte er.
    »Mamma«, antwortete der Junge mit sehr heller Stimme. Brunetti nickte. »Du bist ein guter Junge«, sagte er. »Und sehr tapfer.« Er wusste nicht, wie viel davon das Kind verstand, doch sein Lächeln war vielversprechend. »Und sehr klug«, setzte er, sich an die Stirn tippend, hinzu, und das Lächeln wurde breiter.
    »Was ist passiert?«, fragte Brunetti. Als das Kind stumm blieb, hakte er nach: »In der Nacht damals, was ist da passiert?«
    »Der Tigermann«, sagte der Junge.
    Brunetti legte den Kopf schief, um seine Verwirrung anzudeuten. »Was denn für ein Tigermann?«, fragte er.
    »In dem Haus«, sagte das Kind und wies mit der Hand nach links, dorthin, wo der Palazzo Benzon stand und das Haus der Fornaris.
    Brunetti bekundete mit erhobenen Händen seine Ratlosigkeit, ein Zeichen, das man überall verstand. »Ich kenne keinen Tigermann«, sagte er. »Was hat er denn gemacht?«
    »Er uns gesehen. Er hereingekommen. Ohne Kleider. Tigermann.« Um zu verdeutlichen, was er meinte, zerzauste der Junge sich mit den Fingern die Haare, bis sie wild in alle Richtungen abstanden. Dann hieb er erst mit der einen, dann mit der anderen Handkante auf seine Oberarme, als wollte er sie in Streifen schneiden.

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