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Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume

Titel: Brunetti 17 - Das Mädchen seiner Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hinter sich rufen. »Er kommen gerade.«
    Brunetti richtete sich auf. Er sah, wie der Mann zu dem Wohnwagen ging, aus dem Rocich das letzte Mal herausgekommen war, und dreimal mit dem Absatz auf die unterste Treppenstufe klopfte. Dann trat er zwei Schritte zurück, holte ein Handy aus der Tasche seiner Lederjacke und tippte eine Nummer ein. Brunetti, der inzwischen herangetreten war, hörte ein Telefon zweimal klingeln, dann meldete sich jemand mit einem einzigen lautstarken Wort. Tanovic antwortete mit zweien und klappte sein telefonino wieder zu. Das wölfische Grinsen, mit dem er sich Brunetti zuwandte, kündigte den nächsten Zug in ihrem Machtspiel an.
    Die Tür zu Rocichs Camper sprang auf, und derselbe untersetzte kleine Mann erschien. Er kam die Stufen herunter und verharrte am Fuß der Treppe. Sein Gesicht war so ausdruckslos wie beim letzten Mal, aber Brunetti spürte die unterdrückte Wut, die in seinem Innern brannte.
    Zwischen ihm und Tanovic entspann sich ein kurzer Wortwechsel, und es schien, als ob Rocich vergeblich gegen irgendetwas protestierte. Brunetti, der sich betont desinteressiert gab und tatsächlich nur die Gesten und das Auf und Ab der Stimmen verfolgen konnte, fühlte deutlich, wie Rocichs Zorn noch zunahm.
    Mit verschränkten Armen und einem unendlich gelangweilten Gesichtsausdruck reckte Brunetti das Kinn und tat so, als betrachte er den Kastanienhain. Dabei schoss sein Blick blitzschnell zum Wohnwagen, wo er diesmal hinter beiden Fenstern schemenhafte Bewegungen wahrnahm. Als Nächstes musterte er, ungeduldig auf den Lippen kauend, die Straße außerhalb des Geländes. Als er abermals einen Blick zum Wagen riskierte, glaubte er an den Fenstern zwei Köpfe zu erkennen.
    Tanovic beendete das Gespräch und ging zurück zu seinem Wohnwagen. Er erklomm die Stufen und zog leise die Tür hinter sich zu. Brunetti war mit Rocich allein.
    »Signor Rocich, ich möchte Ihnen mein Beileid zum Tod Ihrer Tochter aussprechen.«
    Zur Antwort spuckte der Mann vor ihm aus, wenn auch mit abgewandtem Gesicht.
    »Signor Rocich, ich war's, der Ihre Tochter gefunden hat. Ich habe sie aus dem Kanal geborgen.« Brunetti sagte es fast beschwörend, so als wolle er damit ein Band zwischen sich und dem Vater des Kindes knüpfen. Aber er wusste natürlich, dass das unmöglich war.
    »Sie wollen Geld?«, fragte Rocich barsch.
    »Nein, nein! Ich möchte wissen, was Ihre Tochter in dieser Nacht in Venedig gewollt hat.«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Wussten Sie, dass Ariana dort war?« Erneutes Schulterzucken. »Signor Rocich, war Ihre Tochter allein unterwegs?« Der Größenunterschied zwischen beiden Männern war so beträchtlich, dass Rocich den Kopf in den Nacken legen musste, um Brunetti in die Augen zu sehen. Doch als ihre Blicke sich trafen, musste Brunetti an sich halten, um nicht vor dem weißglühenden Zorn, der ihm entgegenschlug, zurückzuweichen. Dass der Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen sich in Aggression entlud, hatte er schon oft erlebt. Aber Rocichs flammende Wut war gegen ihn, Brunetti, gerichtet und nicht gegen ein unbarmherziges Schicksal, das seinem Kind das Leben geraubt hatte.
    Er hatte Tanovic gesagt, dass er mit beiden, mit Signor und Signora Rocich sprechen wolle. Doch nun sah er ein, dass die Frau es womöglich bitter würde bezahlen müssen, wenn er darauf drängte, mit ihr zu reden, oder auch nur Interesse an ihr bekundete und so die Aufmerksamkeit auf sie lenkte.
    Rocich spuckte noch einmal vor ihm aus, und diesmal vergewisserte er sich, wie nahe er Brunettis Schuhen gekommen war. Über seinen gebeugten Kopf hinweg warf Brunetti abermals einen dreisten Blick auf den Wohnwagen, hinter dessen Tür jetzt das Profil einer Frau hervorsah.
    »Haben Sie einen Arzt hier?«, erkundigte sich Brunetti mit extra lauter Stimme.
    »Was?«, fragte Rocich verwirrt zurück. »Einen Arzt? Gibt es hier einen Arzt?« »Warum Sie fragen das?«
    »Weil ich es wissen will«, antwortete Brunetti gereizt. »Ich will wissen, ob Sie einen Arzt haben, einen Doktor, der Ihre Familie betreut.« Wieder hatte sich der Begriff »Familie« in seine Rede und in seine Gedanken geschlichen. Bevor Rocich verneinen konnte, sagte Brunetti: »Hören Sie, Signor Rocich, ich möchte meine Zeit nicht mit der Suche nach Ihren Krankenakten vergeuden.«
    »Calfi«, antwortete Rocich. »Er hier Doktor«, setzte er hinzu und beschrieb einen Kreis über den Wagenpark hinter sich.
    Brunetti zückte umständlich sein

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