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Brunetti 18 - Schöner Schein

Brunetti 18 - Schöner Schein

Titel: Brunetti 18 - Schöner Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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finsteren Visionen. Brunetti gab ihm das nächste Foto, dann noch eins. Er nahm sie mit wachsendem Interesse entgegen, das letzte riss er ihm fast aus der Hand. Schließlich sah er Brunetti schockiert an. »Das sind Tatortfotos?«, fragte er, als könne er das nur glauben, wenn Brunetti es ihm noch einmal bestätigte.
    Brunetti nickte.
    »Du warst dort?«, fragte Vianello, aber es klang eher wie eine Feststellung.
    Brunetti nickte noch vor sich hin, da warf Vianello schon die Fotos mit der Bildseite nach oben auf den Schreibtisch. »Gesù bambino, was sind das für Clowns?« Vianello zeigte wütend auf eins der Fotos, auf dem die Spitzen von drei verschiedenen Paar Schuhen zu sehen waren. »Wer ist das?«, fragte er gereizt. »Was haben die so nah an der Leiche zu suchen, wenn sie fotografiert wird?« Er wies auf die Knieabdrücke. »Und wie kommen die da hin?«
    Er schob die Fotos hin und her und fand eins, das aus zwei Metern Entfernung aufgenommen worden war: Hinter der Leiche waren zwei Carabinieri zu sehen, offenbar ins Gespräch vertieft. »Die beiden rauchen«, sagte Vianello. »Und jetzt liegen statt Beweisstücken ihre Kippen in der Asservatenkammer, Herrgott noch mal!«
    Dem Ispettore platzte endgültig der Kragen. Er stieß die Bilder in Brunettis Richtung. »Falls die vorhatten, alle Spuren am Tatort zu verwischen, haben sie großartige Arbeit geleistet.«
    Vianello presste die Lippen zusammen und zog die Fotos wieder zu sich heran. Nachdem er sie eine Weile herumgeschoben hatte, lagen sie von links nach rechts geordnet so, dass die Kamera jedes Mal etwas näher an den Toten heranrückte. Auf dem ersten waren zwei Meter Boden um die Leiche zu sehen, auf dem zweiten noch einer. Auf beiden war Guarinos ausgestreckte Rechte deutlich in der linken unteren Ecke zu erkennen. Auf dem ersten Foto lag die Hand allein in dem dunkelbraunen Schlamm. Auf dem vierten lag etwa zehn Zentimeter neben der Hand eine Zigarettenkippe. Das letzte Foto zeigte nur Kopf und Brust des Toten, Kragen und Hemd voller Blut.
    Vianello konnte es sich nicht verkneifen, das Paradebeispiel für solche Fälle zu nennen: »Alvise hätte keine größere Schweinerei anrichten können.«
    »Das denke ich auch«, meinte Brunetti schließlich. »Wir haben es hier mit dem Alvise-Faktor zu tun. Mit menschlicher Dummheit und Fehlverhalten.« Vianello wollte etwas sagen, aber Brunetti sprach weiter: »Ich weiß, es wäre beruhigender, hier eine Verschwörung zu wittern, aber ich glaube wirklich, es ist nur die übliche Schlamperei.«
    Vianello antwortete achselzuckend: »Ich habe schon Schlimmeres erlebt.« Dann fragte er: »Was sagt der Bericht?«
    Brunetti schlug die Mappe auf, und immer wenn er eine Seite gelesen hatte, gab er sie an Vianello weiter. Guarino war auf der Stelle tot gewesen, die Kugel hatte sein Gehirn durchschlagen und war dann am Unterkiefer ausgetreten. Aber man hatte sie nicht gefunden. Es folgten Mutmaßungen über das Kaliber der Tatwaffe, und am Schluss stand die bloße Feststellung, der Schlamm an Guarinos Jackettaufschlägen und Knien sei anders zusammengesetzt und weise höhere Anteile an Quecksilber, Kadmium, Radium und Arsen auf als der Schlamm, in dem er gelegen habe.
    »›Höher‹?«, fragte Vianello, als er Brunetti die Papiere zurückgab. »Gott steh uns bei.«
    »Der wird auch der Einzige sein.«
    Der Ispettore hob kapitulierend die Hände. »Was machen wir jetzt?«
    »Uns bleibt noch Signorina Landi«, antwortete Brunetti zu Vianellos Verblüffung.

22
    B runetti und Dottoressa Landi trafen sich am nächsten Tag vor dem Bahnhof von Casarsa, auf halbem Weg zwischen Venedig und Triest. Er blieb, von der warmen Sonne angenehm überrascht, auf der Eingangstreppe stehen. Wie eine Sonnenblume wandte er sich ihr zu, dann schloss er die Augen.
    »Commissario?«, rief eine Frauenstimme aus der Reihe geparkter Autos vor ihm. Er machte die Augen auf und sah eine kleine schwarzhaarige Frau aus einem Wagen steigen. Als Erstes fielen ihm ihre Haare auf, kurzgeschnitten wie bei einem Jungen und feucht glänzend von Gel; sie trug einen gefütterten grauen Parka, und selbst darin wirkte sie schlank und jugendlich.
    Er ging die Stufen hinunter zu ihrem Auto. »Dottoressa«, sagte er höflich, »ich möchte Ihnen danken, dass Sie sich bereit erklärt haben, mit mir zu sprechen.« Sie reichte ihm kaum bis an die Schulter und schien höchstens Anfang dreißig zu sein. Sparsam geschminkt, eher nachlässig; von ihrem Lippenstift war

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