Bruno Chef de police
jungen Frau zeigt«, fuhr sie fort. »Ihr Haus ist tadellos in Schuss, aber ohne persönliche Note. Und auch Ihrer bevorzugten Lektüre entnehme ich, dass Sie ein sehr kontrollierter und gut organisierter Mann sind.«
»Sie haben meinen Dienstwagen noch nicht von innen gesehen«, bemerkte er schmunzelnd.
»Der gehört zu Ihrem Beruf, zu Ihrem öffentlichen Leben. Ich spreche von Ihrem privaten Umfeld, Bruno, und das erscheint mir recht anonym - bis auf diese Bücher, und das sind fast durchweg Klassiker, also Werke, die man eher bei gebildeten Leuten vorzufinden erwartet.«
»Und dazu zähle ich weiß Gott nicht«, entgegnete er. »Ich bin schon mit sechzehn von der Schule abgegangen.«
»Und dann haben Sie sich als Kadett bei der Armee anmustern lassen«, sagte sie. »Ja, ich weiß. Sie waren bei den Pionieren, haben eine Fallschirmspringerausbildung absolviert und sind befördert worden. Für die Fremdenlegion waren Sie in Sondereinsätzen in Afrika, ehe Sie nach Bosnien versetzt wurden, wo Sie für die Bergung verwundeter Männer aus einem Panzer eine Auszeichnung erhalten haben. Man hat Sie zu einer Offizierslaufbahn gedrängt, die Sie allerdings ausgeschlagen haben. Bei dem Versuch, serbische Paramilitärs davon abzuhalten, ein bosnisches Dorf niederzubrennen, wurden Sie schließlich von einem Heckenschützen erwischt und nach Frankreich ausgeflogen.«
»Sie sind ja gut informiert. Haben Sie bei den
renseignements généraux
Erkundigungen über mich eingeholt?« Insgeheim dachte er, dass aus den offiziellen Unterlagen im Grunde doch sehr wenig an Informationen über ihn hervorging, und er fragte sich, ob Isabelle wusste, dass der Bürgermeister von Saint-Denis der Vater ebenjenes
Capitaine
Félix Mangin war, der den vorteilhaften Bericht über ihn verfasst, die Umstände seiner Heldentat jedoch aus guten Gründen unerwähnt gelassen hatte. Er war auf ein heruntergekommenes altes Motel gestoßen, aus dem die Serben ein Bordell für ihre Truppen gemacht hatten. Von Félix unterstützt, hatte er die darin gefangen gehaltenen Frauen befreit, in einem Haus im sicheren Teil Bosniens untergebracht und
Médecins Sans Frontières
eingeschaltet, damit sie sich um die missbrauchten Frauen kümmerten. Nein, die ganze Geschichte stand in keiner der offiziellen Akten, und trockene Prosa erklärte nie, aus welchen Zufällen und Entscheidungen das wirkliche Leben zusammengesetzt war.
»Nein, aber Jean-Jacques hat sich Ihre Akte besorgt, gleich nach den Festnahmen in Lalinde, als uns die politische Brisanz der Sache klar wurde. Es war reine Routine, die üblichen Hintergrundrecherchen, die wir in sensiblen Fällen anstellen. Er hat mir die Akte gezeigt. Wirklich beeindruckend. Ich kann nur hoffen, dass mir meine Vorgesetzten ähnlich gute Zeugnisse ausstellen«, sagte sie lächelnd. »Die Akten der
renseignement généraux
sind übrigens ziemlich umfangreich. Darin ist nachzulesen, was Sie wo über Ihre Kreditkarten abbuchen lassen oder welche Abonnements Sie beziehen. Bemerkenswert finde ich auch, dass Sie auf dem Schießplatz der Gendarmerie ziemlich schlecht abgeschnitten haben, obwohl Sie doch beim Militär als hervorragender Schütze eingestuft worden sind. Und auf Ihrem Sparbuch ist auch ganz schön was drauf.«
»Ich habe keine großen Ausgaben, bin aber beileibe nicht reich«, sagte er wie zur Entschuldigung.
»An Freunden und Ansehen aber sehr wohl«, stellte sie fest und leerte ihr Glas. »Heute Abend bin ich nicht als Polizistin hier, sondern als Kollegin, die Sie einfach sympathisch findet und die weit weg von zu Hause mit ihren Feierabenden nichts anzufangen weiß. Halten Sie mich bitte nicht für indiskret, aber ein bisschen neugierig bin ich schon. Wer ist diese Frau auf dem Foto?«
Er schwieg. Sie griff nach der Weinflasche und schenkte sich ein, schwenkte das Glas und roch an der Blume.
»Das ist der Wein, den Jean-Jacques bestellt hat, als wir nach unserer Ankunft hier zu Mittag gegessen haben«, sagte sie. Bruno nickte. Er war mit seinem Ricard noch längst nicht fertig.
»Was können Sie mir über die laufenden Ermittlungen sagen?«, fragte Bruno, entschlossen, das Gespräch auf sicheres Terrain zurückzuführen.
»Wir sind noch nicht weit gekommen. Es gibt keinerlei Indizien dafür, dass der Junge oder das Mädchen oder irgendeiner der anderen jungen Faschos im Haus des alten Arabers gewesen wären. Sie bestreiten außerdem, ihn zu kennen oder jemals besucht zu haben. An den Dolchen an der Wand
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