Bruno Chef de police
sich heran.
»Er hat Karim bei sich und einen Staatsanwalt aus Périgueux, der am Vormittag mit ein paar Videobändern gekommen ist«, flüsterte sie. »Der hat auch die Verhaftung veranlasst. Duroc konnte sich nicht widersetzen.« »Kennen Sie den Staatsanwalt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nie gesehen. Typ Dressman. Hat sich chauffieren lassen. Sein Wagen steht drüben vor der Tierarztpraxis. Sein Chauffeur musste ihm den Videorecorder hinterhertragen.«
»Merde!«,
murmelte Bruno. Das konnte nur Tavernier sein, bewaffnet mit einem TV-Film von Karims Beitrag zur Schlägerei. Er bedankte sich bei Francine und ging nach draußen, wo er sich unter einen der hohen Bäume stellte, die das alte Haus überschatteten, in dem Dougal seine Agentur »Reizvolle Dordogne« eingerichtet hatte. Von dort aus rief er den Bürgermeister auf dessen Handy an, um ihn vor dem neuen Problem Tavernier zu warnen.
»Ich bin bei Rashida im Café. Sie ist außer sich«, erklärte der Bürgermeister. Bruno konnte sie im Hintergrund hören. »Ich war bei Momu zu Hause, um Karims Mutter zu holen. Aber sie hat Momu in der Schule angerufen. Er ist jetzt auf dem Weg in die Gendarmerie. Kümmern Sie sich um ihn, und passen Sie auf, dass er keine Dummheiten macht. Ich werde mir Tavernier vorknöpfen müssen. Richten Sie ihm bitte schon mal aus, dass ich ein alter Freund seines Vaters bin und dringend mit ihm sprechen möchte.«
»Haben Sie schon einen Plan?«, fragte Bruno.
»Nein, aber ich werde mir etwas einfallen lassen. Steht Karim ein Verteidiger zur Seite?«
»Noch nicht. Könnten Sie Brosseil benachrichtigen? Er ist im Vorstand des Rugbyclubs.«
»Brosseil ist Notar. Karim braucht einen Anwalt.«
»Den können wir ihm später besorgen. Es wäre gut, wenn Brosseil sofort in die Gendarmerie käme. Er muss Karim zum Stillschweigen auffordern und verlangen, dass alles, was er bislang von sich gegeben hat, aus dem Protokoll gestrichen wird, weil er noch keine Chance hatte, sich mit einem Anwalt zu beraten.«
»Das ist nach unserem Recht nicht möglich, Bruno.«
»Egal. So gewinnen wir ein bisschen Zeit, und Karim wird den Mund halten. Außerdem entspricht es europäischem Recht, und Tavernier wird dagegen nichts einzuwenden haben. Brosseil muss nur hartnäckig genug darauf bestehen. Noch etwas. Haben Sie eigentlich schon die Zeugenaussage des Ministers oder eines dieser beiden Generäle?«
»Von beiden Generälen, ja. Sie haben sie mir zugefaxt. Vom Minister ist noch nichts gekommen.«
»Was Tavernier nicht wissen kann. Wenn er befürchten muss, dass eine Strafverfolgung Karims die Aussagen seines Ministers in Zweifel zöge, ganz zu schweigen von denen zweier hochrangiger Mitglieder des Verteidigungsministeriums, wird er sich die Sache vielleicht noch einmal durch den Kopf gehen lassen.«
»Allerdings. So machen wir's. Aber zuerst sollten Sie auf Momu achtgeben. Versuchen Sie, ihn abzufangen.«
Mit dem Auto würde Momu am Kindergarten und am Postamt vorbeikommen; zu Fuß oder auf dem Fahrrad könnte er die Abkürzung durch die Fußgängerzone nehmen. Bruno steckte den Kopf zur Tür der Gendarmerie hinein und bat Francine, Momu um jeden Preis aufzuhalten und, wenn er aufkreuzte, ihn, Bruno, sofort anzurufen.
Dann eilte er zurück und erreichte das Ende der Rue de Paris genau in dem Moment, als Momu mit dem Fahrrad um die Ecke bog.
»Stopp«, rief Bruno und hob die Hand. »Überlass alles Weitere mir und dem Bürgermeister.«
»Aus dem Weg, Bruno«, brüllte Momu und stieß Bruno mit dem Arm beiseite. Bruno bekam seine ausgestreckte Hand zu packen und hielt daran fest. Momu musste vom Sattel abspringen, um nicht mitsamt dem Fahrrad umzukippen.
»Lass los, Bruno«, schrie Momu, »sonst kannst du was erleben! Die Jungs vom Rugbyclub sind schon unterwegs - und die halbe Schule. Was die mit uns machen, ist die reinste
rafale,
und davon haben wir genug.«
Bruno verzog das Gesicht. Mit dem Wort
rafale
hatten Momus Landsleute früher die Razzien und Massaker der französischen Polizei während des Algerienkrieges und noch früher die Übergriffe der Gestapo auf französische Zivilisten bezeichnet.
Rafale
stand für Brutalität und Polizeistaat.
»Das ist keine
rafale,
Momu«, entgegnete Bruno eindringlich.
»Die Nazis haben meinen Vater umgebracht und ihn wie ein Stück Fleisch in seinem Blut liegen lassen, und jetzt wollt ihr meinen Sohn hinter Gitter bringen. Aus dem Weg, Bruno«, schrie Momu. »Ich hab die Schnauze voll von euch und
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