Bruno Chef de police
Manieren, zeigte sich demütig und wackelte wie um Erlaubnis bittend mit dem Schwanz. Vorsichtig beschnupperten die beiden einander.
»Sie sind alte Freunde«, erklärte Bruno. »Wir gehen manchmal zusammen auf die Jagd.«
Ein kleiner, älterer Mann streckte den Kopf zur Tür heraus. »Ah, Bruno«, grüßte er fast beiläufig, als hätten sie sich gerade erst vor wenigen Minuten gesehen. »Willkommen, und wer ist die junge Dame?«
»Isabelle Perrault«, sagte Bruno und zu Isabelle: »Darf ich Ihnen Maurice Duchêne, Besitzer und Höhlenwart der
Grotte du Sorcier
vorstellen? Er lebt seit seiner Geburt in diesem Felsenhaus. Maurice,
Inspectrice
Perrault ist von der
police nationale
und eine Kollegin und gute Freundin.«
»Es ist mir eine Ehre, Mademoiselle«, sagte der alte Mann und schüttelte ihr die Hand. Er hatte einen krummen Rücken und war so tief gebeugt, dass er den Hals verrenken musste, um zu ihr aufzublicken. Seine Augen aber leuchteten klar und verschmitzt.
»Ich bin beeindruckt, mein lieber Bruno, du hast eine wahre Schönheit zu mir geführt. Und da ist ja auch mein feiner Gigi, der Prinz unter den Jagdhunden. Wie schön, dass ihr da seid!«
»Komm, setz dich und stoß mit uns an, Maurice. Danach würde ich Isabelle die Höhle zeigen, wenn du erlaubst. Und könntest du uns einen Krug von deinem Wasser bringen? Isabelle ist aus Paris und hat bestimmt noch nie so was Gutes getrunken.«
»Aber gern. Setzt euch doch, ich bin gleich zurück«, sagte Maurice und schlurfte ins Haus zurück. Bruno nahm eine unetikettierte Flasche Wein und drei kleine Gläser aus dem Korb, während Isabelle sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte und die Aussicht auf das Tal und die Bäume genoss, die den mäandernden Bachlauf säumten, fm Hintergrund ragten weitere Felsformationen auf.
»Bitte sehr, da haben wir's, das reinste Wasser von Mutter Natur und Vater Perigord«, sagte der Höhlenwart, als er mit einem Tablett wieder nach draußen kam, auf dem ein Wasserkrug und drei Gläser standen, die mit den Jahren völlig blind und trüb geworden waren. »Direkt aus dem Felsen in meine Küche. Ununterbrochen fließendes Wasser. Ah, wie ich sehe, hat Bruno meinen Lieblingsaperitif mitgebracht. Den macht er selbst, wissen Sie, Mademoiselle, jedes Jahr zum Katharinentag. Die Flasche ist wohl vom letzten Jahr, nicht wahr?«
»Nein, Maurice, dir und Isabelle zuliebe habe ich einen 99er mitgebracht, den besonders guten. Trinken wir auf unsere Freundschaft. Aber vielleicht sollte ich Isabelle vorweg darüber aufklären, dass dies ein
vin de noix
ist, hergestellt aus grünen Walnüssen, Bergerac-Wein und
eau de vie,
gebrannt aus eigenen Pfirsichen. So etwas finden Sie nicht in Paris.«
»Köstlich«, sagte sie. »Und dieser Ausblick, Monsieur Duchêne, einfach phantastisch. Aber im Winter ist es hier oben doch bestimmt ziemlich kalt, oder?«
»Kalt? Nie. Bislang ist noch kein einziges Mal das Wasser gefroren, und unter den Felsen bin ich im Trockenen. Ich habe genug Feuerholz und meinen Ofen, mehr brauche ich nicht. Und jetzt kosten Sie von meinem Wasser, meine Liebe. Wenn's mehr davon gäbe, würde ich es auf Flaschen ziehen und mehr Geld verdienen als Monsieur Perrier.«
Sie nahm einen Schluck. Das Wasser war kalt, ohne jeden Kalkgeschmack und perlte ein ganz klein wenig. Es schmeckte ihr so gut, dass sie einen weiteren Schluck nahm und im Gaumen hin und her bewegte.
»Wie flüssig gewordene Frische«, kommentierte sie.
»Flüssig gewordene Frische«, wiederholte der Alte und strahlte übers ganze Gesicht. »Das gefällt mir. Glauben Sie denn, dass mein Wasser auch in Paris gern getrunken würde, Mademoiselle?«
»Nicht nur da, auch in New York, London, überall auf der Welt«, antwortete sie und spürte Brunos lächelnden Blick auf sich gerichtet.
»Darf ich ihr die Höhle zeigen, Maurice?«, fragte Bruno. »Ich habe zwei Fackeln mitgebracht. Der
vin de noix
ist für dich, mein Freund. Außerdem habe ich dir ein Stückchen selbstgemachte
pâté
mitgebracht.« Er zog ein großes Einmachglas aus seiner Tasche und stellte es auf den Tisch, worauf Maurice ihm einen uralten Schlüssel zusteckte und sich dann wieder von Brunos Aperitif einschenkte.
Sie gingen an dem Gemüsegarten vorbei und folgten einem immer schmaler werdenden Pfad. Zur Sicherung hing ein inzwischen ausgefranstes Seil an der Bergwand. Hinter einem schroffen Felsvorsprung gelangten sie auf einen kleinen, von leuchtend grünem Gras bewachsenen Absatz vor einem
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