Brut des Teufels
die Anmeldung und brachte ihn auf sein Zimmer.
» Sind Sie geschäftlich hier?«, fragte sie, nachdem sie ihm gezeigt hatte, wie das Kabelfernsehen funktionierte.
Nightingale blickte aus dem Fenster. Sein Zimmer ging nach vorn hinaus, und er hatte Blick auf den Fluss. » Mehr oder weniger«, antwortete er.
» Jetzt ist die ruhige Zeit des Jahres«, erklärte sie. » Es sind nicht viele Touristen da. Aber über Weihnachten und Neujahr sind wir ausgebucht.«
» Es ist ein reizendes Hotel«, meinte er und steckte ihr einen Fünfpfundschein zu. » Ich habe gehört, dass es letzthin ein paar Todesfälle in der Gegend gegeben hat. Das hat die Leute nicht daran gehindert zu kommen, oder?«
» Todesfälle?« Sie runzelte die Stirn. Dann riss sie die Augen auf. » Oh, Sie meinen die Selbstmorde? Haben Sie darüber in London gelesen?«
» Ja, dort stand, die Polizei wisse nicht, was los ist.«
» Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass alle auf einer bestimmten Facebook-Seite waren oder so«, meinte sie. » Diesen Dienstag ist eine Frau gestorben. Wussten Sie das?«
» Wirklich?«, fragte Nightingale, Unwissen vortäuschend. » Was ist denn passiert?«
Der Rotschopf erschauerte. » Sie hat sich erhängt. Connie Miller. Sie hat manchmal bei uns an der Bar etwas getrunken. Wodka Tonic ohne Zitrone. Eine nette Frau. Wir können gar nicht glauben, was passiert ist.«
» Sie wird wohl depressiv gewesen sein, oder?«
» Das glaube ich nicht«, erwiderte sie. » Sie soll eine Wäscheleine am Treppengeländer festgebunden haben und von oben heruntergesprungen sein.« Sie erschauerte erneut. » So was könnte ich niemals tun.«
» Ich auch nicht«, stimmte Nightingale ihr zu.
» Ich würde Tabletten nehmen oder so. Ich würde es nicht über mich bringen, mich selbst zu erhängen. Können Sie sich vorstellen, wie das sein muss?«
» Nein«, antwortete Nightingale, obgleich er genau wusste, wie es für Connie Miller gewesen war. Er fuhr zusammen, als das Telefon läutete.
» Dann lasse ich Sie mal in Ruhe«, sagte der Rotschopf und schloss die Tür hinter sich, als sie ging.
Nightingale griff stirnrunzelnd nach dem Hörer, weil niemand wusste, dass er in Abersoch war.
» Jack, ich bin’s.« Es war Jenny. » Ich habe ein paarmal auf deinem Handy angerufen, aber dort geht immer nur die Mailbox dran.«
Nightingale angelte sein Handy aus der Tasche seines Regenmantels und blickte auf das Display. » Kein Empfang«, sagte er.
» Na ja, jetzt hab ich dich ja an der Strippe«, meinte sie. » Und ich habe die Adresse von Connie Millers Eltern.« Nightingale griff nach einem Stift. » Bist du dir sicher, dass du das machen willst, Jack?«
» Hängt davon ab, was du damit meinst.«
» Du hast vor, mit ihnen zu reden, oder?«
» Klar.« Er setzte sich aufs Bett. Auf dem Nachttisch lag die New English Bible; er nahm sie zur Hand.
» Du hast vor, zu zwei vollkommen Fremden zu gehen und sie zu fragen, ob sie ihre Tochter von einem Satanisten bekommen haben?«
» Na ja, ich werde schon ein bisschen taktvoller vorgehen«, meinte er. » Ich werde improvisieren.«
» Sei bitte rücksichtsvoll«, sagte Jenny. » Sie haben gerade erst ihre Tochter verloren.«
» Ich passe auf«, meinte Nightingale. » Großes Ehrenwort. Und jetzt gib mir die Adresse.« Jenny diktierte, und Nightingale kritzelte sie auf ein Blatt Hotelpapier. » Du würdest mir nicht vielleicht noch einen anderen Gefallen tun, oder?«
» Was denn genau?«
» Würde es dir etwas ausmachen, noch einmal nach Gosling Manor zu fahren und an der Inventarliste zu arbeiten? Ich muss wirklich wissen, was für Bücher dort stehen.«
» Jack, das liegt meilenweit draußen.«
» So, wie die Dinge laufen, werde ich es niemals selbst schaffen«, sagte er.
» Du bist doch derjenige, der beschlossen hat, sich nach Wales zu verdrücken.«
» Ach, ich mach auch ganz lieb bitte, bitte.«
» Jack…«
» Und Männchen mach ich noch dazu.«
» Ich weiß nicht recht, ob ich ganz allein da draußen mitten im tiefsten Surrey sein möchte«, erwiderte sie. » Und du weißt doch, wie unheimlich dieser Keller ist.«
» Gosling Manor könnte direkt der Zeitschrift Country Homes and Gardens entsprungen sein«, sagte Nightingale.
» Das Haus selbst ist reizend; die Gänsehaut kriege ich im Keller.«
» Wie alt bist du eigentlich? Zwölf?«, meinte Nightingale lachend.
» Und vergessen wir nicht, dass dein Vater sich dort in seinem Schlafzimmer den Kopf weggeschossen hat.«
»
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