Buch des Flüsterns

getan. Aber die Rechtsbullen haben sie nicht gefunden, fügte Cristea Paragină hinzu. Und sie werden sie auch nicht finden ... Wenigstens dies. Über seinen Bruder und Mihai Timaru wusste er nur, dass sie lebten und zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurteilt worden waren. Sie waren zu sehr mit ihnen verfeindet, als dass sie sie ermorden und sie erlösen hätten können, sagte er verbittert. Zusammen mit einem Freund, Gheorghiță Bălan, versteckte er sich in einer verlassenen Mühle oberhalb der Putna-Wasserfälle in Gura Lepșei. Sie schauten sich an, die beiden Männer, weißbärtig und mit Patriarchengesicht der eine, mit dem gekringelten Flaum des jungen Mannes der andere. Dann knöpfte Hartin Fringhian die Hirtenjacke und den Anzug auf, der früher einmal schwarz war und glänzend, hob mit beiden Händen das Leinenhemd hoch und wies auf den Leibgurt. Ich trage dich in mein Testament ein. Bist ein guter Junge. Ich vermache dir eine Million Lei, aber nicht von diesen, die keine zwei Heller wert sind, echte Lei von vor dem Kriege ... eine Million Lei, Banknoten, Schatzbriefe oder Aktien, was du magst ... Was soll ich denn mit so viel Geld anfangen, mein Herr?, blinzelte Cristea Paragină. Sehen Sie denn nicht, wie wir hier leben? Und das Vorkriegsgeld, wer würde mir das denn noch abnehmen? Hartin Fringhian dachte einige Augenblicke lang nach. Ich weiß, wie wir’s machen, beschloss er. Ich trage dich nicht mit Werttiteln ein, obwohl, du wirst schon sehen, die Zeiten kommen wieder. Ich gebe dir Gold und Edelsteine. Ich glaube, wir sind völlig verrückt geworden, mein Herr, seufzte Cristea Paragină, obwohl ihm der alte Mann gefiel, ja, er liebte ihn sogar, und so verrückt, wie er nun war, noch mehr als vordem. Schließlich waren auch die Zeiten verrückt geworden, und der Wind raschelte in den Bäumen und kündigte Schnee an. Kommst morgen gegen Abend wieder, befand Fringhian. Bis dahin werde ich jemanden bitten, mir eine Feder und Tinte aus dem Tal heraufzubringen. Und ich schreibe dir die Safenummern bei der Nationalbank auf einen Zettel. Wenn du hörst, dass ich gestorben bin, gehst du hin und holst dir das Gold. Es ist allzeit gut. Tauschst es gegen Gewehre ein und wartest auf die Amerikaner. Du bist ein junger Mann, hast Zeit. Und bevor sich der kleinere Paragină im Wald verlor, sagte er noch einmal, erleichtert: Morgen Abend. Vergiss es nicht ...
    Es war eines der Dinge, die Cristea Paragină nicht vergessen hat, gewiss nicht, denn er hatte ohnehin keine Zeit mehr, es zu vergessen. Im Morgengrauen war die verlassene Mühle von Soldaten umstellt. Cristea versuchte zu entkommen, rannte hinten hinaus, wo ein Zaun mit Stacheldraht das Grundstück begrenzte. Es gelang ihm nicht, jenseits des Grundstücks zu gelangen. Die Kugeln durchlöcherten ihn auf der Innenseite des Zaunes, er hing darin, die Hände um die Drahtspieße geklammert. Gheorghiță Bălan wurde in Ketten nach Galați gebracht und bestialisch gequält, damit er bezeuge, wo sich die Bullen befänden. Aber aus Wut die Kontrolle zu verlieren, ist menschlich, selbst im Falle der Rohlinge, die ihn quälten. Einer von ihnen drehte angesichts von Gheorghiță Bălans Widersetzlichkeit durch, zog die Pistole und schoss ihm das Hirn aus dem Kopf. Man sagt, er habe Varlaam geheißen, aber vielleicht ist auch das nicht wahr. Niemand hat es ermittelt. Ohnehin ähnelten sich all die Verursacher solcher Qualen sehr.
    Hartin Fringhian bereitete das Tintenfass und die Feder vor, holte unter dem Leibgurt ein weißes liniertes Blatt hervor und schrieb darauf: »Kodizill. Unterzeichneter Hartin B. Fringhian, erhalte mein Testament, das ich am Gericht von Ilfov, Abteilung Notariat, unter der Registriernummer 75075 am 31. August 1938 niedergelegt habe, mit folgenden Änderungen und Ergänzungen aufrecht:« Dann legte er den Federhalter beiseite, schraubte das Tintenfass zu und wartete. In der Zwischenzeit war der Wind beißender geworden, die Auerhähne zogen sich in die Baumhöhlen zurück, die Schneefälle hatten eingesetzt, Frost klirrte wie Glas, dann ging er zurück, das Eis barst, die Schneemassen wurden lückenhaft und flossen die Berge hinab. Als der Frühling kam und die Hirsche zum Fluss hinuntergingen, wo sie sich unter die Schafe mischten, begriff Hartin Fringhian, dass er umsonst wartete. Er packte seine Papiere zurück unter den Leibgurt und steckte das Tintenfass in die Tasche. Nun blieb ihm nur noch, die Jahreszeiten zu erfassen, die Zahl der