Buch des Flüsterns
wie ihm keuchend nicht der Same, sondern Blut durch die Finger quoll. Sahag fand keine Mittel und Wege, das Gespenst zu vertreiben, das ihn mit seinem böse befruchtenden Samen bespritzte, also griff er sich einen Gegenstand und schlug damit das Fenster ein. Yusuf lachte schallend, sein Gesicht aber zersprang, vervielfachte sich in weitere tausend Gesichter, die sich im Zimmer verteilten. Als er sich wieder besann, schaute er sich an, sein verwildertes Gesicht, die Kleidung durcheinander und das Glied in der Hand, steif und entstellt. Er begriff, dass Yusuf in ihn gefahren war, und dass er dieses durchscheinende Wesen nicht bekämpfen konnte, indem er Fensterscheiben zerschlug und Spiegel verhängte.
Sahag und Yusuf hassten sich, aber sie wussten auch, dass sie gezwungen waren, miteinander zu leben. Verzehnfacht hatte nun Yusuf die Qualen zu erdulden, denen Sahag ausgesetzt worden war, musste die Verbeugungen vor einem anderen Erlöser und die allemal züchtigen Gebräuche dieses Glaubens ertragen. Aber er rächte sich auf die einzig ihm zu Gebote stehende Weise an diesem fremden Geschlecht, und zwar durch das Glied, das vom Zeichen seiner Geburt geprägt war und seinen Samen vergiftete. An diesen ewig unfruchtbar gebliebenen Samen gefesselt, der mit den Jahren spärlicher floss, schrumpfte auch Yusuf selbst. In meiner Kindheit war Sahag Șeitanian ein alter Mann. Deshalb habe ich Yusuf nicht kennengelernt.
Entzweigespalten, gewohnt, dass jede seiner Hälften die andere belauerte und hasste, dass sie darauf warteten, die jeweils andere möge einschlafen, um dann auf sie einschlagen zu können, aber fatalerweise stets gemeinsam einschlafend und sich wahrhaftig nur im Traum trennend, denn die beiden Hälften konnten nicht gleichzeitig träumen, begann Sahag, während die andere Hälfte schrumpfte und seine Resignation, keine Kinder kriegen zu können, ebenso wie die seiner Frau Armenuhi zunahm, sich dem Hass hinzugeben; und weil er all den Hass in den Schubfächern seiner gehälfteten Seele nicht mehr unterbringen konnte, richtete er ihn auf die anderen. Erst einmal auf all jene, die Yusuf gleichkamen. Aber weil es davon nur wenige in seinem Umfeld gab, und sein unverbrauchter Hass wie die Zähne wilder Tiere knirschte, die reißen müssen, sonst wachsen sie und durchstoßen die eigene Schädeldecke, ergoss sich Sahags Hass über die Bolschewiken. Die unverhoffte Gelegenheit dazu ergab sich nach dem Krieg, als die Stadt, anders als zuvor, da der einzige Kommunist in Focșani ein versoffener Gemüsehändler war, dessen politische Aktivität darin bestanden hatte, lauthals und mit schwerer Zunge am 10. Mai die Dynastie und den König zu beschimpfen, bis die Behörden begriffen hatten und ihn frühmorgens, noch benebelt vom Rausch der Nacht davor und also stumm, verhaftet hatten; nunmehr also, nach dem Krieg, war die Stadt voller Kommunisten. Sahag pflegte sie Großhändler zu nennen, Kommunisten, Wegelagerer an der großen Straße. Die Kommunisten vergalten ihm seine Zuneigung mit ihrer gewohnten Großzügigkeit, das heißt, sie plünderten seinen Laden aus, und als nichts mehr zu plündern übrig geblieben war, beschlagnahmten sie den Laden. Sahag freute sich jedesmal, Nehmt!, schrie er, fuchtelte mit den Armen und hüpfte auf einem Bein, Plündert!, und er warf mit den Van-Houten-Kakaoschachteln nach ihnen, Das habt ihr mitzunehmen vergessen!, und die Packungen mit Kaffeebohnen flogen durch die Luft; wie Käfer verstreuten sich die Bohnen auf dem Bürgersteig.
Er hatte den Einfall, das Telefunken-Radio in Seferians Gruft zu installieren, und er ging nachts alleine auf den Friedhof, um Radio Free Europe zu hören. Im Sommer des Jahres 1958 betrachtete er gierigen Blicks die Bataillone der Roten Armee, die auf der Straße nach Tecuci verschwanden, dann saß er stundenlang reglos vor dem tellergroßen Bildschirm von Frau Marias Fernseher direkt gegenüber unseres Hauses auf der anderen Straßenseite und verfolgte die Direktübertragung der Beerdigung von Gheorghe Gheorghiu-Dej, wovon ihm nicht das geringste Detail entging, dabei knackte er Sonnenblumenkerne, trank Bier und kiebitzte wie im Stadion. Die Russen haben ihn verstrahlt, sagte er, doch diesmal ohne die geringste Spur eines Vorwurfs. Sie haben ihm die Gallenblase aufgeschnitten!
Sahag Șeitanian war auch der Erste, der sich von der Faszination der Karten hatte hinreißen lassen. Herausgerissen aus den Orten ihrer Kindheit, waren die alten Armenier geflohen,
Weitere Kostenlose Bücher