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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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und verbesserten das Kommunikationssystem –, ihre Anhänger, deren einige sogar fanatisch waren. So zum Beispiel jener Tatevos Bedrosian, der Direktor der armenischen Schule von Constanța, der sich nicht scheute, die armenische Trikolore auf der Offiziersuniform des 812. Wehrmachtsbataillons zu tragen. Als jedoch Marschall Antonescu den Armeniern drohte, sie wegen ihrer geringen Kriegsbegeisterung deportieren zu lassen, und die deutsche Armee sich gegenüber den Veranstaltern der Pogrome an den Juden als überaus nachsichtig erwies, seufzten die rumänischen Armenier immer noch, wenn sie vom patriotischen Elan des Generals Dro hörten, auch flossen ihnen immer noch die Tränen, wenn die Lieder von der Flucht erklangen, aber sie weigerten sich, in die Legion einzutreten; und obwohl das Kommandozentrum zwischen Berlin und Ploiești aufgeteilt wurde, zogen sie es vor, mit wohltemperiertem Elan von Armenien zu träumen.
    Wie wir schon gesehen haben, besaß Misak Torlakian nichts von dem, was man Selbsterhaltungsinstinkt nennt, ja, wir könnten sogar sagen, er sei geradezu verwegen gewesen. Aber er hatte einen ausgeprägten Instinkt dafür, sich seine Ideale zu bewahren. Und oftmals verachtete er Ersteren aufgrund der maßlosen Übersteigerung des Zweiten. Wenn er sein Leben, die Zeit, die er in Rumänien verbracht hat, vielleicht ausgenommen, ständig der Gefahr ausgesetzt hatte, so sahen sich seine Träume und sein Enthusiasmus umso besser geschützt und behütet, je mehr die Gefahr zunahm. Also beschloss Misak Torlakian im Jahre 1941, General Dro nach Deutschland zu begleiten. Weil er kein Mann der Karten und Strategien war, überließ er es dem General, mit den Deutschen eine gewisse Ordnung in die Aufstellung der Legion zu bringen, dafür zog er von Lager zu Lager, fragte nach den sowjetischen Gefangenen und stellte Listen auf mit den Häftlingen armenischer Herkunft, dann aber war es Sache des Generals, zu ihnen zu sprechen und sie zu überzeugen. Er wollte sich auch eingliedern und an der Ausbildung der Legionsmitglieder beteiligen, aber man sagte ihm, bei seinen über fünfzig Jahren sei dies nicht möglich. Die deutsche Armee war stolz auf ihre Leistungen, noch war die Zeit nicht gekommen, da auch die Veteranenkontingente aus dem Ersten Weltkrieg zu den Waffen gerufen wurden. Misak, wieder einmal beiseitegeschoben, kehrte nach Ploiești zurück, dabei musste er in diesem besetzten und durcheinandergeratenen Europa einen Zug nach dem anderen wechseln.
    Die Situation in Rumänien hatte sich geändert. Der Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion begeisterte General Dro und die Initiatoren der Legion, dafür sollten von nun an die Nächte finster bleiben, aus Furcht vor alliierten Bombardements. Man hatte die Lebensmittel rationiert, und vor den Läden entstanden Schlangen. Solche wie Arșag Sâvagian, die sich bis dahin auf dem Schwarzmarkt für Edelsteine und Gold herumgetrieben hatten, änderten ihr Profil und verkauften nun unter dem Ladentisch Lebensmittel und Treibstoffe. Eine Zeitlang mieden die Bombardements, die stets in der Nacht stattfanden, Ploiești und die Raffinerien. Die wirkliche Stadt mit seiner Industriezone wurde verdunkelt, aber die Deutschen hatten aus Pappkarton eine weitere Stadt mit Raffinerien und allem Drum und Dran geschaffen, die vom Himmel aus wie eine wirkliche Stadt aussah, auch war sie absichtlich beleuchtet. Die Alliierten bombardierten diese Fälschung beharrlich und freuten sich überaus, wenn sie die Staubwolken aus den zerdepperten Pappkartons aufsteigen sahen. Sie hatten ein solches Vergnügen daran gefunden, endlich einmal unbedrängt bombardieren zu können, dass sie nur schwer begriffen oder sich nicht einmal fragten, wie es kam, dass die Häuser schier über Nacht wiedererrichtet worden waren, wieso sich die Bewohner keine Sorgen machten wegen der unbekümmert mitten in der Nacht noch eingeschalteten Beleuchtung, und die Luftverteidigung, die immerhin die deutsche war, nur beiläufig mal einen Schuss abgab und anscheinend absichtlich keinen Treffer landen wollte. Bis plötzlich eines Morgens sechs Flugzeuge, die sich beim Rückflug verirrt hatten, über der wirklichen Stadt auftauchten und noch bevor die Luftabwehr sie bis auf eines abgeschossen hatte, alles zerbombten.
    Misak Torlakian nahm dies als ein Zeichen. Er stach sich in die dicken Venen an den Waden, entledigte sich des schweren schwarzen Blutes und schlug die nunmehr unbrauchbar gewordenen Kataster zu,

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