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Buch des Flüsterns

Buch des Flüsterns

Titel: Buch des Flüsterns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varujan Vosganian
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Pornic, Madame Pornic,
    Geben Sie zu mir her ein Stück!
    Ganze Sommer gespielt und gesongen;
    Siktir, nix von dir jetzt bekommen!
    Aber das Beiwort
E
ș
ek
, also »der Esel«, stammt nicht aus der Zeit, als Simon ein lustiger und erfolgreicher Teestubenbesitzer war, der sich allein deshalb von einem leichten Schatten von Traurigkeit gestreift sah, weil er auf der
Liste der Entsprechungen
des Der Ignados, dem Pfarrer aus Galați, einen Platz in dem Bereich eingenommen hatte, wo ihm schon kein zweiter Name oder bestenfalls der einer unförmigen Witwe mit Oberlippenbart gegenüberstand, einer Gestalt, die selbst dem gekreuzten Blick Simons nur schwer zuzumuten war. Den Namen
E
ș
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hatte er aufgrund eines Vorfalls nach Kriegsende erhalten, und dies war die zweite überzeugende Antwort auf die Frage danach, was geschehen werde.
    Hätte er ein Kaffeehaus gehabt, so hätten die Zeitläufte ihn vielleicht noch ein, zwei Jahre hingenommen. Aber Teestuben waren selten, und zwischen Czernowitz und Iași waren die Russen keiner mehr begegnet. Die Offiziere setzten sich an die Tische, das war das Gute daran; weil sie wussten, dass die Offiziere in Simons Teestube ein und aus gingen, hüteten sich die gemeinen Soldaten, sie zu betreten. Schlecht daran war, dass es den Offizieren hier über alle Maßen gut gefiel. Sie saßen mit übereinandergeschlagenen Beinen da, hatten die Pistolen gut sichtbar auf der Tischecke liegen und verlangten russischen Tee. Simon wusste nicht, was russischer Tee war, und hatte anfangs gefragt, dann aber hatte er gemerkt, dass jeder Tee, den er ihnen heiß servierte, russischer Tee war, und sie bestätigten ihm dies, so war es. Sie nahmen noch ein Gläschen Cognac oder Rum, das sie unverzüglich hinunterkippten, und bestellten ein zweites für den Tee, dann bekamen sie noch ein weiteres Stück Würfelzucker oder ein gläsern funkelndes Bonbon, das sie unter der Zunge hielten, während sie gewöhnlich recht laut ihren Tee schlürften.
    Weil aber diese Kundschaft die andere zu vergraulen begann, wurden die Abendveranstaltungen in Simons Teestube seltener, dann verschwand der zweite Protagonist,
Kemancist
Rupen, plötzlich spurlos. Die neuen Kunden, die eher den Tee in den Cognac gossen als den Cognac in den Tee, und oftmals das Bezahlen vergaßen, um nicht davon zu reden, dass sie zu unpassenden Uhrzeiten kamen und unbekümmert so lange herumsaßen, wie sie dazu Lust hatten, verärgerten Simon, und er wandte sich mit einer Beschwerde an die Kommandantur. Die hörte ihm aufmerksam zu, dann, vor die Wahl gestellt, Simon einen Gefallen zu tun, oder den russischen Offizieren zu gestatten, sich so zu benehmen, wie es ihnen gefiel, befand sie, wenn Simon nicht begreife, welche besondere Ehre ihm seitens der glorreichen sowjetischen Armee zuteilwerde, sei er nicht würdig, das Teehaus weiterhin zu besitzen. Folglich wurde es requiriert, und dies war die zweite Huldigung, welche die armenische Gemeinde der Stadt Focșani dem befreienden sowjetischen Soldaten nach Dic Bedrosians Uhr darbrachte. Diese was muss mir bedeutsam?, fragte Simon,
Requirierung
schien ihm ein schwer verständliches und ziemlich unangenehmes Wort zu sein, wenn er von der Entschlossenheit im Gesicht des zu diesem Zweck vorbeigeschickten Offiziers ausging, den zwei bewaffnete Blondschädel begleiteten, die sich schon an den Bonbonnieren zu schaffen machten. Das heißt, dass wir dir dein Teehaus wegnehmen, übersetzte ihm der Offizier und rammte ihm einen Finger auf die Brust, was andeuten sollte, dass die gleiche Geste auch mit überzeugenderen Mitteln, wie es ein Gewehrlauf oder das Bajonett wären, vollführt werden könnte. Nehmen, nehmen, empörte sich Simon, aber für Tausch was geben? Das ist gut!, kam als Antwort, nix geben für Tausch. Es dient jetzt der Armee. Simon konnte ein solches Geschäft nur schwer verstehen, er kratzte sich den Schädel, was ihn zwang, sich wegen dem schier viereckigen Haarschober auf seinem Kopf auf die Zehenspitzen zu erheben. Weißt du, was geträumt ich?, fragte er nach reiflicher Überlegung. Der Offizier machte große Augen, das neue Thema hatte ihn überrascht. Dann erklärte ihm Simon unter erläuternder Gestikulation: Ich geträumt so: Meine Arsche waren Kohlkopf, du waren Ziege, und Ziege fressten meine Arsche. Angesichts dieser Transfiguration, aus der bei aller sprachlichen Verballhornung klar hervorging, worauf Simons Aufforderung an den Offizier hinauslief, errötete dieser bis über beide

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