Buch des Flüsterns
die an der Wand des Konsulats gefangene Fahne und ließ sie an der Spitze seiner neuen Armeen im Winde flattern.
Zwischen zwei Erkundungsreisen kreuz und quer durch Europa kehrte General Dro nach Ploiești zurück, um seinen militärischen Befehlsstand in Form zu halten. Nachdem er ihnen die Armenische Legion als neue Erlösungs-Armee vorgestellt hatte, organisierte der General die Feldübungen im Strejnicu-Wald. Diese Übungen boten zweifellos auch Unterhaltungsmöglichkeiten mit gut gefüllten Fresskörben und in Korbgeflecht eingefassten Flaschen voller Schnaps oder Wein, aber ebenso auch kriegerische Aktionen, bei denen General Dro auf dem Rücken seines Pferdes die Flinte reckte und den Sturm auf den Wald anordnete, welchen die Mitglieder seiner Gruppe, von den Justiziaren Misak Torlakian, Ervant Fândâkian und Simon Pilibossian, dem Kampfgefährten von Kevork Ceauș, bis hin zum Ploieștier Atam Altocaian, getreulich ausführten; sie brüllten ihren unbekannten Feind an, schossen in die Bäume und ließen reichen Blätterregen niedergehen. Nach diesen siegreichen Feldzügen gegen alle möglichen Feinde, von den Osmanenlümmeln bis hin zu den Bolschewiken, bei denen keine Gefangenen gemacht wurden, kehrte die Expeditionstruppe zu den Fresskörben und Schnapsflaschen zurück, die während der martialischen Ausfälle von Nșan Maganian, dem Lehrer an der armenischen Schule, strengstens bewacht worden waren, er selber fasste keine Waffe an, aber er beteiligte sich heißblütig an diesen Aktionen, bei denen er an die Rebellen von Zeitun aus seiner eigenen Kindheit dachte.
Dass diese Männer, die auf den Schlachtfeldern oder in Guerillaaktionen den Tod herausgefordert hatten, nun ebenso viel Eifer in den Beschuss von Bäumen legten, Phantome bekämpften, die sich hinter den Baumstämmen verbargen, verminderte weder ihren Elan noch die Siegesfreude, der sie sich im Wald von Strejnicu hingaben, einem Wald, der heute vor allem wegen Nicolae Iorgas Martyrium in Erinnerung behalten wird, keinesfalls als Ort einer ununterbrochenen Folge von durchschlagenden Erfolgen der Ploieștier Mitglieder in der Armenischen Legion. Mit dem Kriegsende und dem von der Roten Armee herbeigeführten Bruch des Bündnisses verstreute sich die Gruppe. General Dro und seine allernächsten Kameraden verließen Rumänien im Frühjahr 1944. Ja, selbst die Knaben, Anuș und Agop Kârmâzian, die Schildknappen der strammen Flintenträger, wurden von ihren Eltern weit weg gebracht, zuerst nach Konstantinopel, in eine Türkei, die noch mit Deutschland befreundet war, wo sie ein Schiff nach Marseille nahmen und sich aufmachten in die weite Welt. Nșan Maganian, der Lehrer, starb zurückgezogen in sich selbst, er war zu diskret in seinem Sonntagslehrerleben, als dass er die Aufmerksamkeit der neuen Autoritäten auf sich gezogen hätte, aber er tröstete sich damit, seinen einzigen Sohn unter vier Töchtern Setin getauft zu haben, nach dem Namen seines eigenen Geburtsortes: Zeitun. Zu jenen, die mit dem Leben bezahlten, zählte auch Atam Altocaian, und zwar auf eine Weise, die wieder einmal zeigt, dass sich die Geschichte mit breitem Lachen über uns lustig macht. Atam Altocaian ist an die Front gelangt, aber die im Wald von Strejnicu erhaltene Ausbildung war offenbar nicht ausreichend, denn schon bald war er Kriegsgefangener der Russen. Im Lager wurde er nun wieder rekrutiert, in die Division »Tudor Vladimirescu« gesteckt und kehrte nach dem 23. August 1944 15 zurück, um mit den Russen gegen die Deutschen zu kämpfen. Aber zu einem gewissen Zeitpunkt stellte selbst die Geschichte ihr Gelächter ein und befand, es sei genug. Nun lenkte sie seine kriegerischen Streifzüge kreuz und quer durch das östliche Europa und ließ ihn mal an der Seite der Deutschen gegen die Bolschewiken und mal mit den Bolschewiken gegen die Deutschen kämpfen. Zu seinem Pech konnte Atam Altocaian in diesem immer wieder verkehrten Krieg nur durch eine Kugel in die Stirn gestoppt werden, was in den Unterständen vor Bukarest geschah. Sein Name wird von unseren Priestern zu
Vartanank
, dem Tag der Märtyrer, zusammen mit den für die Unabhängigkeit Rumäniens in den beiden Weltkriegen Gefallenen genannt. Alle anderen Berater und Gefährten von General Dro, unabhängig davon, zu welcher Zeit sie dies waren, wurden eingesammelt und nach Sibirien verbracht. Diejenigen, deren Knochen nicht dort verblieben, die zu jung waren, als dass sie die Weisheit besessen hätten, zu
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