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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Brekke
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Hause.«
    Das Regal bedeckte die komplette fensterlose Wand des Raumes, und zu Vattens großer Überraschung fand sich darin nur ein einziges Genre.
    »Wie ich sehe, magst du Krimis.«
    »Ich würde es eher als Manie bezeichnen.« Sie war aufgestanden und stellte sich neben ihn. »Ich sammle Lösungen.«
    »Lösungen?«
    »Ja, sieh mal, hier.« Sie zog ein dickes Buch aus dem Regal, auf dessen Rücken nichts geschrieben stand. Es war ein in Leder gebundenes Tagebuch, eine echte Luxusausgabe. Als sie es aufschlug, sah er, dass es voller Absätze war. Jeder davon be gann mit dem Titel eines Kriminalromans, gefolgt von einem Namen, norwegisch oder ausländisch, unter der Rubrik Mörder, danach eine Seitenangabe.
    »Ich habe alle Mörder aus allen Büchern aufgeschrieben, die ich im Laufe der Zeit beim Lesen entlarvt habe. Siehst du, ich notiere sogar die Seite, auf der ich sie entlarvt habe. Das ist eine meiner großen Spezialitäten. Einer meiner Lover meinte, es sei mein größtes Talent, den Mörder in einem Krimi zu entlarven.Aber er kannte mich nicht sonderlich gut. Und wenn ich darüber nachdenke, habe ich ihm auch nie richtig einen geblasen.«
    Vatten wurde rot.
    »Agatha Christie ist am einfachsten. Die meisten finden sie kompliziert, aber ich nicht«, fuhr Siri Holm fort. »Jeder Autor hat sein eigenes Muster. Deshalb ist es immer am schwierigsten, wenn man das erste Buch eines neuen Autors liest.Wie denkt dieser Mensch? Wie baut er seine Bücher auf? Einen Mörder in einem Buch zu entlarven ist nicht das Gleiche wie in der Realität. Der größte Fehler, den man machen kann, ist, sich krampfhaft an die Fakten zu halten; die sind nämlich ganz unwesentlich. Es geht vielmehr um Narratologie, wie die Geschichte aufgebaut ist, welche Funktionen die unterschiedlichen Charaktere haben und so weiter.«
    »Interessant«, sagte er und meinte das auch so. »Kannst du mir einen guten Tipp geben? Ich lasse mich immer in die Irre führen.« Die Erektion, mit der er zu kämpfen hatte, seit er aufgestanden war, legte sich langsam.
    »Die Drittelregel«, sagte sie.
    »Drittelregel? Was ist das denn?«
    »Der Mörder ist im ersten Drittel des Buches in der Regel am deutlichsten sichtbar. Da wagt der Autor es, ihn oder sie kurz einzuführen. Den Rest des Buches geht es darum, diesen Charakter als uninteressant darzustellen und stattdessen andere mögliche Verdächtige ins Licht zu rücken.«
    »Bis der Mörder am Schluss des Buches aus dem Hut gezaubert wird?«
    »Genau.Aber meist reicht eine Regel allein nicht aus. Es gibt eine Vielzahl von anderen Zeichen, die man beachten und kombinieren muss.Aber die Erfahrung spielt natürlich auch eine Rolle.« Sie lächelte ironisch und war sich vollständig bewusst über das Kuriose und leicht Absurde in dieser Scharfsinnigkeit.
    »Wie ich sehe, liest du Poe?« Vatten nahm einen ins Schwedische übersetzten Sammelband aus dem Bücherregal und spürte ein gefährliches Kribbeln im Körper. Das war jetzt schon das zweite Mal an diesem Wochenende, dass er mit einer Frau über Poe redete, wobei er sich nicht an den Ausgang des ersten Gespräches erinnerte.
    »Ja, aber ich mag ihn nicht. Ich bin keine Freundin der fantastischen Literatur.Weder Horror noch Fantasy oder Science-Fiction. Für mich macht das keinen Sinn. Der Autor macht es sich zu leicht, wenn er einfach alles erdichten kann, was er braucht. Bei Poe als Krimiautor ist es auch nicht anders. Die Lösung von ›The Murders in the Rue Morgue‹ ist vollkommen zufällig. Ein Affe als Mörder, also wirklich. Man muss dem Leser eine Chance geben, sonst ist es kein Krimi. So sehe ich das jedenfalls. Oh, habe ich dich jetzt enttäuscht? Du magst Poe, nicht wahr? Das sehe ich dir an. Es ist ja nicht alles schlecht, was er geschrieben hat. Die Geschichte mit den Polizisten, die den Brief nicht finden, mag ich.«
    »The Purloined Letter«, sagte Vatten.
    »Genau die, ja.«
    In diesem Moment beugte sie sich unvermittelt vor und küsste ihn auf die Wange. Dann nahm sie ihm das Buch aus der Hand und stellte es zurück ins Regal. Fasziniert beobachtete er, wie sie es exakt in einer Linie mit den anderen Büchern platzierte, ehe sie seine Hand nahm und sich wieder zu ihm vorbeugte. Dieses Mal küsste sie ihn auf den Mund.
    »In deinem Leben ist irgendetwas passiert«, sagte sie. »Entweder trauerst du über etwas, oder du hast ein Riesengeheimnis. Oder beides.«
    Sie strich langsam mit ihrem Gesicht an seinem Körper entlang nach unten, bis ihr

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