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Buch des Todes

Buch des Todes

Titel: Buch des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Brekke
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Menschen südlich des Dovre als Sommertag bezeichnen würden, im Datum irrte. Nach den unzähligen Regentagen der letzten Zeit schien nun ein solcher Tag gekommen zu sein. Schon morgens um acht Uhr zeigte das Thermometer im Schatten vor dem Küchenfenster achtzehn Grad. Er fand einen trockenen Rest Brot und etwas Apfelsinenmarmelade und frühstückte. Die Luftfeuchtigkeit war ungewöhnlich hoch, und bereits während er aß, spürte er den Schweiß auf seinen Schläfen. Das langärmelige Baumwollhemd war zu warm, weshalb er sich, den letzten Bissen Brot herunterwürgend, schnell noch einmal umzog.
    Singsaker hasste es zu schwitzen. Mit dem Schwitzen hatte alles angefangen; den kalten Schweiß der Nächte im letzten Herbst würde er nie vergessen. Dann waren die Kopfschmerzen gekommen, die Stimmungstiefs und das Gefühl, dass die ganze Welt irgendwie irreal war. Schon bevor er an dem Tag nach der Weihnachtsfeier kollabiert war, hatte er zu halluzinieren begonnen. Keine rosa Elefanten oder Wolkenschlös ser, sondern simple Kleinigkeiten wie Anikkes Stimme, wenn sie gar nicht da war, oder das Gefühl, das Portemonnaie in der Hand zu halten, während er es in Wahrheit zu Hause vergessen hatte. Er erinnerte sich daran, dass er einmal seine Visacard hervorgeholt hatte, um einen Einkauf zu bezahlen. Er zog sie immer wieder durch das Lesegerät, bis die Kassiererin ihn darauf aufmerksam machte, dass er gar keine Karte in den Händen hielt.Vielleicht würde er noch eine weitere Operation verkraften.Angst vor dem Tod glaubte er keine mehr zu haben. Ist man ihm einmal von der Schippe gesprungen, ist er bei Weitem nicht mehr so beängstigend.Was Singsaker nicht ertrug, war die Vorstellung, dass sich alles, was er durchgemacht hatte, wiederholte. Und damit meinte er die Zeit davor. Die Entwicklung. Der Zusammenbruch. Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Das unerträglich langsame Drama einer jeden Krebserkrankung.
    Er zog ein dünnes, hellblaues Seidenhemd an, das ihm ein paar Freunde vor einigen Jahren aus Thailand mitgebracht hatten. Er trug es nicht oft, aber öfter, als er diese Freunde sah.An heißen Tagen war es genau das richtige Kleidungsstück. Singsaker versuchte sich selbst davon zu überzeugen, dass er nur schwitzte, weil es warm war. Er war gesund entlassen worden. Der Tumor im Kopf hatte nur einen Hohlraum hinterlassen, eine Narbe, und vielleicht dazu geführt, dass er jetzt wirkliche Ereignisse vergaß, während er sich früher an Dinge erinnert hatte, die nie geschehen waren.Aus den Halluzinationen waren Gedächtnislücken geworden, aus der Supernova ein schwarzes Loch.
    Auf dem kurzen Stück über die Straße zu Vattens Haus versuchte er die Ereignisse des vergangenen Tages noch einmal durchzugehen, aber es gelang ihm nicht, alles in eine chronologische Reihenfolge zu bringen. Hatte er vor oder nach seinem Besuch bei Siri Holm mit Jens Dahle gesprochen? Und wann hatte das Verhör von Vatten stattgefunden? Vor dem Haus blieb er einen Moment auf dem Bürgersteig stehen und dachte an etwas, das Siri Holm gestern gesagt hatte, oder war das in seinem Traum gewesen? Es gab Krimis, in denen sich ein Ermittler mit Gedächtnislücken selbst jagte.
    Nun, das hier ist kein Kriminalroman, sagte er zu sich selbst und wünschte fast, es wäre einer. Sein Alibi brauchte er jedenfalls noch nicht unter die Lupe zu nehmen.
    Zwei Polizeiwagen standen vor Vattens Haus auf der Straße. Singsaker ging durch das Gartentor und registrierte sogleich, dass Vattens Cervelo am Zaun lehnte. Der alte Volvo stand wie immer in der Einfahrt.
    Drinnen im Haus herrschte Hochbetrieb. Überall liefen weiß gekleidete Beamte herum. Die anderen, die keine Schutzkleidung trugen, waren in der Minderzahl. Er sah das untere Ende der Jeans eines Ermittlers über die Treppe nach oben verschwinden, während Mona Gran, die vor einer Ewigkeit mit ihm im Sicherheitstrakt der Bibliothek gewesen war, wo sie den schrecklichen Fund gemacht hatten, hinter der Tür stand und ihn anlächelte. Kaum zu glauben, dass das alles erst einen Tag her war.
    Er sah sie an. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die junge Frau eigentlich ziemlich hübsch war. Dunkelblondes Haar und blaue Augen. Ihre Nase war gerade so groß, dass sie Aufmerksamkeit erregte, was den Gesamteindruck aber nicht negativ beeinflusste.
    »Was haben wir gefunden?«, fragte er.
    »Das sollten Sie die Leute in Weiß fragen. Das, was wir gesucht haben, war auf jeden Fall nicht dabei.«
    »Wollen Sie damit sagen,

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