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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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antworten, richtet sich alles Weitere. Schauen Sie sich zum Beispiel Serdjuk an, Ihren Zimmergenossen. Diese Japaner, die ihn angeblich überredet haben, sich den Bauch aufzuschlitzen – das ist der vitalste Bereich seiner psychischen Welt. Denen passiert nichts, auch wenn Serdjuk seinen symbolischen Tod stirbt – im Gegenteil, in seiner Vorstellung haben sie ihn überlebt. In hellen Momenten fällt ihm nichts Besseres ein, als diese Papierschwalben zu falten. Ich wette, daß das deren Idee war, die haben sie ihm bei irgendeiner seiner Halluzinationen ans Herz gelegt. Kurz, die Krankheit hat so große Bereiche der Psyche angegriffen, daß ich mich manchmal schon frage, ob nicht ein operativer Eingriff das beste wäre.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Das spielt hier keine Rolle. Serdjuk sollte bloß zum Vergleich dienen. Wenn man sich dagegen anschaut, wie es Ihnen ergangen ist! Ich finde, hier hat meine Methode einen sehr schönen Sieg errungen. Diese ganze krankhaft verstiegene Welt, die Ihr umnachtetes Bewußtsein errichtet hatte, ist entschwunden, hat sich in nichts aufgelöst, und das ohne jeden ärztlichen Kunstgriff, gewissermaßen den eigenen Gesetzen folgend. Ihre Psychose hat sich selbst erschöpft. Die irregeleitete psychische Energie ist zurückintegriert worden. Wenn meine Theorie stimmt – und davon möchte ich ausgehen –, dann sind Sie jetzt völlig geheilt.«
    »Die Theorie stimmt, davon bin ich überzeugt«, sagte ich.
    »Auch wenn ich sie nicht bis ins letzte nachvollziehen kann.«
    »Das müssen Sie gar nicht«, sagte Professor Kanaschnikow. »Sie sind sich selbst zum heutigen Tag der beste Beweis. Und ich muß mich bei Ihnen bedanken, Pjotr. Dafür, daß Sie mich an Ihren Halluzinationen in dieser Ausführlichkeit teilhaben ließen – dazu sind längst nicht alle Patienten in der Lage. Sie haben hoffentlich nichts dagegen, wenn ich Fragmente Ihrer Aufzeichnungen in meiner Monographie verwende?«
    »Das wird mir eine große Ehre sein.«
    Professor Kanaschnikow tätschelte mir zärtlich die Schulter.
    »Na, na, wer wird denn gleich so offiziell werden. Lassen Sie sich ruhig etwas mehr gehen in meiner Gegenwart. Ich bin Ihr guter Freund.«
    Er nahm einen kleinen Stapel Papier vom Tisch, der von einer Büroklammer zusammengehalten wurde.
    »Bliebe nur noch der Fragebogen. Ich möchte Sie bitten, beim Ausfüllen gründlich zu sein.«
    »Was für ein Fragebogen?«
    »Reine Formsache«, sagte der Professor. »Im Gesundheitsministerium sitzen eine Menge Beamte herum und denken sich immerzu etwas Neues aus. Hier handelt es sich um den sogenannten Test zum Nachweis der sozialen Adäquanz. Er beinhaltet die verschiedensten Fragen mit je einer Auswahl möglicher Antworten dazu. Eine davon ist zutreffend, die anderen sind absurd. Jeder normale Mensch weiß sofort Bescheid.«
    Er blätterte den Fragebogen durch. Es mußten an die zwanzig, dreißig Seiten sein.
    »Eine bürokratische Angelegenheit, zweifellos, wir kriegen eben auch unsere Rundschreiben. Der Bogen ist Vorschrift für jeden Entlassungsfall. Und da ich keinen Grund sehe, Sie noch länger hierzubehalten – da ist ein Stift. Frisch ans Werk!«
    Ich nahm ihm die Zettel ab und setzte mich an den Tisch. Der Professor wandte sich diskret seinem Bücherschrank zu und zog irgendeinen Folianten hervor.
    Der Fragebogen umfaßte mehrere Teile: »Kultur«, »Geschichte«, »Politik« und noch einige andere. Ich schlug aufs Geratewohl den Abschnitt »Kultur« auf und las:
     
    32. In welchem Film vertreibt der Hauptheld am Ende die Bösen, indem er ein großes Kreuz über dem Kopf schwenkt?
    a) Alexander Newski
b) Jesus von Nazareth
c) Ludwig II.
     
    33. Welcher der aufgeführten Namen symbolisiert das Gute und Allmächtige?
    a) Arnold Schwarzenegger
b) Sylvester Stallone
c) Jean-Claude van Damme
    Bemüht, meine Ratlosigkeit zu verbergen, überblätterte ich etliche Seiten und wechselte in den Abschnitt zur »Geschichte«:
     
    74. Auf welches Objekt schoß der Kreuzer »Aurora«?
    a) auf den Reichstag
b) auf den Panzerkreuzer »Potjomkin«
c) auf das Weiße Haus
d) Die vom Weißen Haus haben angefangen
    Unversehens hatte ich jene schrecklich finstere Oktobernacht vor Augen, als die »Aurora« in der Newamündung auftauchte. Mit hochgeschlagenem Kragen stand ich auf der Brücke, zog nervös an meiner Zigarette und sah die schwarze Silhouette des Kreuzers langsam näher kommen: Kein einziges Licht an Deck war zu sehen, nur an den Enden der

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