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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Sakura«, sagte er. »Die Sakurablüte.«
    Kawabata tat einen Schritt zurück und verbeugte sich zum wer weiß wievielten Mal an diesem Abend. Und es sah so aus, als blinkten ihm schon wieder Tränen in den Augen.
    »Jawohl«, sagte er, »ganz genau. Kirsche und Pomeranze auf dem ersten Hof, dahinter, bei den Gemächern der Fleuchenden Aromen, Glyzinien, bei den Gemächern der Erstorbenen Blüten die Pflaume und bei den Gemächern des Gespiegelten Lichts die Birne. Wie peinlich, daß ich Sie dieser demütigenden Befragung unterziehen mußte! Doch glauben Sie mir, ich kann nichts dafür. So sehen es nun einmal …«
    Er blickte sich nach den Mädchen um, die noch beim Wasserkocher saßen, und klatschte zweimal in die Hände. Die Mädchen sprangen auf und verschwanden mitsamt dem Kocher und ihren hurtig eingesammelten Kleidern in der Kammer, aus der sie gekommen waren, die Trennwand schloß sich hinter ihnen, und nichts, außer vielleicht ein paar sämigen Tröpfchen auf dem Faxgerät, erinnerte mehr an die schäumende Orgie der Leidenschaft, die noch vor Minuten in diesem Raum stattgefunden hatte.
    »So sehen es nun einmal die Regeln unserer Firma vor«, sprach Kawabata weiter. »Daß das Wort ›Firma‹ nicht die genaueste Übersetzung ist, sagte ich schon. Eigentlich wäre es zutreffender, von einem Clan zu sprechen. Doch könnte dieser Terminus, gebrauchte man ihn einfach so, Angst und Mißtrauen wecken. Darum schauen wir immer erst einmal, wen wir vor uns haben, und gehen anschließend ins Detail. Und obwohl ich mir der Antwort in Ihrem Fall schon von dem Moment an sicher war, da Sie jenes zauberhafte Gedicht vortrugen.«
    Kawabata hielt inne, schloß die Augen und bewegte die Lippen – es stand zu vermuten, daß er jenen Satz von den Sternen vor sich hin sprach, der Serdjuk schon so gut wie entfallen war.
    »Bemerkenswerte Worte. Also, von da an war mir alles sonnenklar. Doch es gibt ein Reglement, ein strenges Reglement, und ich war verpflichtet, Ihnen die üblichen Fragen zu stellen. Was ich Ihnen jetzt zu sagen habe, ist folgendes. Unsere Firma funktioniert, ich sagte es schon, eher wie ein Clan, und so sind unsere Mitarbeiter eigentlich eher Clansbrüder. Die Pflichten, die sie auf sich nehmen, unterscheiden sich demzufolge von denen eines gewöhnlichen Gehaltsempfängers. Kurz und gut, wir wollen Sie in die Reihen unseres Clans aufnehmen, der einer der ältesten in ganz Japan ist. Der freie Posten, den Sie übernehmen werden, nennt sich ›Management-Mitarbeiter im Bereich Nordbarbaren‹. Es könnte natürlich sein, daß Ihnen diese Bezeichnung wie eine Beleidigung vorkommt, doch so ist nun einmal die Tradition, die älter an Jahren ist als die Stadt Moskau. Eine schöne Stadt übrigens, besonders im Sommer. Es handelt sich um das Amt eines Samurai, und dafür nehmen wir nicht jeden Plebs. Wenn Sie also bereit sind, dieses Amt zu übernehmen, werde ich Sie zum Samurai schlagen.«
    »Und worin besteht diese Arbeit?«
    »Oh, nichts Besonderes«, sagte Kawabata. »Papierkram, Kundenbetreuung. Äußerlich ist alles wie in anderen Firmen – nur daß Ihr inneres Verhältnis zu den betrieblichen Vorgängen der kosmischen Harmonie zu genügen hat.«
    »Und wieviel zahlen Sie dafür?« fragte Serdjuk.
    »Sie erhalten zweihundertfünfzig Koku Reis jährlich«, sagte Kawabata und runzelte für einen Moment die Stirn, er schien zu rechnen. »Das sind in Ihrer Währung so um die vierzigtausend Dollar.«
    »Auszahlung in Dollar?«
    »Wie Sie wünschen«, sagte Kawabata achselzuckend.
    »Ich bin einverstanden«, sagte Serdjuk.
    »Das habe ich nicht anders erwartet. Dann sagen Sie mir also: Sind Sie bereit, sich als Samurai des Taira-Clans zu bekennen?«
    »Aber sicher.«
    »Sich mit unserem Clan auf Leben und Tod zu verbünden?«
    Immerzu diese Rituale! dachte Serdjuk. Wann kommen die eigentlich dazu, ihre Fernseher zu bauen?
    »Ich bin bereit.«
    »Sind Sie bereit, als ein echter Mann die ephemere Blüte dieses Lebens über den Rand des Abgrunds zu werfen, wenn Ihr Dei Sie dazu auffordert?« fragte Kawabata und deutete auf das Bild an der Wand.
    Serdjuk warf noch einen Blick darauf.
    »Ja doch«, sagte er. »Ich bin bereit. Eine Blüte in den Abgrund, was soll dabei sein.«
    »Sie schwören?«
    »Ich schwöre.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Kawabata, »ganz wunderbar. Jetzt bleibt nur noch eine winzige Formalität zu erledigen, dann sind wir fertig. Wir brauchen die Bestätigung aus Japan. Das wird uns nur einige Minuten

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