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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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ganzen Tag erfreuen, das Wasser reichen. Und zwar ohne alle Worte.«
    »Wie meinen Sie das?« fragte Serdjuk.
    Kawabata legte das Schwert behutsam auf die Matten.
    »Das Leben ist wechselhaft«, sagte er nachdenklich. »Es läßt sich am frühen Morgen nie sagen, was einen am Abend erwartet.«
    »Ist irgendwas passiert?«
    »Oh, ja. Sie wissen doch, Busineß ist Krieg. Der Taira-Clan hat einen Feind, einen mächtigen Feind. Minamoto.«
    »Minamoto?« fragte Serdjuk, und erfror. »Was ist damit?«
    »Heute kam die Nachricht, daß die Minamoto Group aufgrund eines heimtückischen Verrats an der Tokioter Effektenbörse das gesamte Kontrollaktienpaket der Taira Incorporated aufgekauft hat. Da mischt noch eine englische Bank mit und auch die Singapur-Mafia, aber das ist egal. Wir sind am Boden zerstört. Und der Feind triumphiert.«
    Serdjuk schwieg eine Weile, um sich zu fragen, was das Gesagte bedeutete. Nichts Gutes – soviel war ihm klar.
    »Wir aber«, sagte Kawabata, »Sie und ich, zwei Samurai des Taira-Clans, werden selbstverständlich nicht zulassen, daß all diese nichtswürdigen Existenzblasen uns mit ihren flatterhaften Schatten den Geist verfinstern, nicht wahr?«
    »N-nein«, sagte Serdjuk.
    Kawabata lachte schrill, und seine Augen funkelten.
    »Nein«, sagte er, »Minamoto wird uns nicht erniedrigt und am Boden liegend sehen. Wie weiße Kraniche hinter einer Wolke verschwinden, so muß man aus dem Leben gehen. Und kein Bodensatz kleinlicher Gefühle soll sich in dieser herrlichen Minute in unserem Herzen finden.«
    Ruckartig drehte er sich mitsamt der Matte, auf der er saß, zu Serdjuk um und verneigte sich vor ihm.
    »Ich bitte Sie um eines«, sagte er. »Schlagen Sie mir den Kopf ab, wenn ich mir den Bauch aufgeschlitzt habe!«
    »Was?«
    »Den Kopf abschlagen, bitte! Der letzte Dienst, wie es bei uns heißt. Ein Samurai, den man darum bittet, darf ihn nicht verweigern, sonst würde er sich mit Schande bedecken.«
    »Aber ich hab noch nie … Ich meine, von früher her.«
    »Es ist ganz einfach. Zack und ab. Schschscht!«
    Kawabata hieb die Arme durch die Luft.
    »Ich fürchte, das krieg ich nicht hin«, sagte Serdjuk. »Auf dem Gebiet hab ich null Erfahrung.«
    Kawabata überlegte. Sein Gesicht verfinsterte sich plötzlich, so als wäre ihm etwas ganz Schreckliches eingefallen. Dann schlug er mit der flachen Hand auf die Tatami-Matte unter sich.
    »Bloß gut, daß ich bald aus dem Leben scheide«, sagte er und blickte Serdjuk reumütig an. »Was bin ich für ein grober und unhöflicher Mensch!«
    Er schlug sich die Hände vor das Gesicht und begann seinen Körper hin- und herzuschwingen.
    Serdjuk erhob sich leise, ging auf Zehenspitzen zur Tür, schob sie geräuschlos auf und trat auf den Gang hinaus. Der Beton unter den nackten Füßen war unangenehm kalt. Plötzlich dachte Serdjuk mit Entsetzen daran, daß seine Schuhe und Strümpfe die ganze Zeit, während er mit Kawabata auf Sakesuche gewesen und durch diese dunklen, unsicheren Gassen getigert war, dort vorn auf dem Gang neben dem Eingang gestanden haben mußten. Was er derweil an den Füßen getragen hatte, war absolut rätselhaft; er konnte sich ja nicht einmal entsinnen, wie sie losgegangen und wie sie zurückgekommen waren.
    Nur weg, nichts wie weg von hier! dachte er, während er um die Ecke bog. Hauptsache verschwinden, drüber nachdenken können wir hinterher immer noch.
    Der Wachmann an der Tür erhob sich von seinem Schemel, als er Serdjuk kommen sah.
    »Nanu, wohin um die Zeit?« fragte er gähnend. »Viertel nach drei!«
    »War Sitzung«, sagte Serdjuk. »Hat gedauert.«
    »Von mir aus«, sagte der Wachmann. »Passierschein?«
    »Wieso?«
    »Was, wieso. Den Passierschein.«
    »Ich bin doch ohne reingekommen.«
    »Stimmt«, sagte der Wachmann. »Und um wieder rauszukommen, braucht man einen Passierschein.«
    Die Lampe auf dem kleinen Tisch warf ein trübes Licht auf Serdjuks Schuhe, die an der Wand standen. Einen Meter weiter war die Tür, dahinter die Freiheit. Serdjuk tat einen kleinen Schritt auf seine Schuhe zu, dann noch einen. Der Wachmann blickte gleichmütig auf Serdjuks nackte Füße.
    »Und überhaupt«, sagte er, mit seinem Gummiknüppel spielend, »das Sicherheitssystem ist eingeschaltet. Bis acht bleibt die Tür zu. Wenn einer sie aufmacht, kommen die Bullen. Dann gibt's Theater – Protokoll und so weiter. Deswegen darf ich gar nicht aufschließen. Nur bei Feuer. Oder Wasser.«
    »Eben«, sagte Serdjuk in verschwörerischem

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