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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Buddha Amida‹, wie man bei uns sagt. Das ist wie mit dem Saporoshez ins Gelobte Land fahren. Ein vertikaler Schnitt macht sich schon besser, ist aber auch bloß Lower-middle-class-Stil und noch dazu provinziell. Zu guter Letzt darf es doch wohl ein bißchen exklusiver sein. Da kämen zwei Über-Kreuz-Varianten in Frage: lotrechtwaagerecht oder diagonal. Würde ich beides nicht empfehlen: Einmal rauf, einmal runter und dann noch hin und her, das wäre als Anspielung aufs Christentum mißzuverstehen, und bei der schrägen Variante könnte genausogut jemand an die Andreaskreuzfahne denken und glauben, Sie hätten sich wegen des Ausverkaufs der Schwarzmeerflotte … Dabei sind Sie doch kein Marineoffizier, oder?«
    »Nein«, bestätigte Serdjuk teilnahmslos.
    »Sag ich doch – bringt nicht viel. Vor ein paar Jahren war es groß in Mode, zwei Schnitte parallel zu führen, aber das ist heikel. So daß ich Ihnen also zu einem großen, schrägen Schnitt raten würde, von links unten nach rechts oben und zum Schluß wieder ein bißchen zur Mitte hin. Da kann man, rein ästhetisch gesehen, nichts falsch machen, und ich werde es Ihnen wahrscheinlich ebenso nachtun.«
    Serdjuk machte den Versuch aufzustehen, doch Kawabata legte ihm die Hand auf die Schulter und brachte ihn wieder zum Sitzen.
    »Bedauerlicherweise muß alles schnell-schnell gehen«, sagte er seufzend. »Ganz ohne weiße Paravents und Pfeiferauchen und so weiter. Krieger, die mit blankgezogener Waffe am Rande des Schauplatzes bereitstünden, haben wir auch keine vorrätig … Außer Grigori, na, was ist der schon für ein Krieger. Im Grunde sind die ja auch überflüssig. Man brauchte sie nur für den Fall, daß ein Samurai seinen Eid bricht und das Seppuku verweigert, der würde dann abgestochen wie ein Hund. Meines Wissens hat es einen solchen Fall noch nie gegeben. Aber es sieht natürlich schön aus: rings um das abgesteckte Quadrat diese jungen Männer, deren blanke Schwerter in der Sonne blitzen. Ach, eigentlich könnten wir doch … Wollen Sie, daß ich Grigori hole? Und vielleicht noch von oben den Semjon? Damit es dem traditionellen Ritual mehr entspricht?«
    »Nicht nötig«, sagte Serdjuk.
    »Recht so«, sagte Kawabata, »nur recht so. Sie wissen natürlich, daß es bei einem Ritual weniger auf Äußerlichkeiten ankommt als auf den inneren Gehalt.«
    »Weiß ich, weiß ich. Alles weiß ich«, sagte Serdjuk und sah Kawabata haßerfüllt an.
    »Weshalb ich felsenfest davon überzeugt bin, daß alles wunderbar klappen wird.«
    Kawabata nahm das in der Blechbude erworbene Kurzschwert vom Boden auf, zog es aus der Scheide und schwang es ein paarmal durch die Luft.
    »Genügt vollkommen«, sagte er. »Jetzt folgendes. Auf zwei Dinge muß man achten. Erstens: sich nach dem Schnitt nicht auf den Rücken fallen lassen, das sieht sehr unschön aus. Aber dabei werde ich Ihnen Hilfestellung geben. Und zweitens: nicht an die Wirbelsäule kommen. Die Klinge darf nicht zu tief eindringen. Am besten machen wir es so.«
    Er nahm ein paar Faxbögen (Serdjuk sah, daß das Blatt mit der schwarzen Chrysantheme dabei war) und stieß sie zu einem ordentlichen kleinen Stapel zusammen, den er einmal faltete und vorsichtig um die Klinge des Schwerts legte, so daß die Spitze sieben, acht Zentimeter hervorschaute.
    »Fertig. Also, den Griff in die Rechte und mit der Linken hier anfassen. Nicht zu kräftig drücken, sonst verklemmt es sich leicht. Und dann rauf und gleichzeitig nach rechts. So, jetzt wollen Sie sich bestimmt noch ein bißchen sammeln. Wir haben es zwar eilig, aber so viel Zeit muß sein.«
    Serdjuk saß in einer Art Starre und glotzte immer noch gegen die Wand. Ein paar einzelne, träge Gedanken wälzten sich durch seinen Kopf: Ja, er mußte Kawabata wegstoßen, auf den Gang rennen und … Die Tür dort war zu, und dieser Grigori mit dem Knüppel stand davor. Und angeblich gab es noch einen Semjon im ersten Stock. Theoretisch hätte man die Polizei rufen können, aber da war Kawabata mit seinem Schwert. Und um die Zeit kam sowieso keine Polizei. Es gab aber noch etwas anderes, und vielleicht war das das Unangenehmste: Was immer er jetzt unternahm, es hätte früher oder später dazu geführt, daß Verwunderung auf Kawabatas Gesicht getreten wäre, abgelöst von einer Grimasse der Verachtung. Und man konnte sagen, was man wollte – etwas hatte der heutige Abend an sich gehabt, was Serdjuk jetzt nicht preisgeben mochte. Er wußte sogar, was es war. jener Moment,

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