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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Ton. »Die ganze Welt … wie Blasen auf dem Wasser.«
    Der Wachmann grinste und nickte.
    »Dagegen läßt sich nichts sagen. Wir kennen ja unsere Arbeitgeber. Aber versteh mich nicht falsch. Manchmal kommt mit der Blase eine Anweisung geschwommen. Da guckst du und liest: Tür zu um elf, auf ab acht, und basta.«
    Serdjuk meinte aus der Stimme des Wachmanns eine gewisse Unschlüssigkeit herauszuhören und versuchte noch einmal in dieselbe Kerbe zu hauen.
    »Ich schätze, Herr Kawabata wird sich über Ihr Verhalten wundern. Als ob man dem Wachmann einer seriösen Firma solche simplen Dinge erklären müßte. Wenn alles ringsum nur eine Fata Morgana ist …«
    »Fata, Fata …«, sagte der Wachmann nachdenklich und schaute auf einen deutlich jenseits der Wände befindlichen Punkt. »Weiß ich doch. Ich steh ja hier nicht erst seit gestern. Wir haben jede Woche Schulung. Ich sag doch gar nicht, daß die Tür real ist. Soll ich sagen, was ich von ihr denke?«
    »Sag schon.«
    »Ich denke, es gibt keine substantielle Tür, sondern nur ein Gefüge leerzeichenhafter Wahrnehmungselemente.«
    »Na also!« sagte Serdjuk erfreut und tat noch ein Schrittchen auf seine Schuhe zu.
    »Aber vor acht sperr ich das Gefüge nicht auf«, sagte der Wachmann und schlug sich den Gummiknüppel in die Hand.
    »Und warum nicht?«
    Der Wachmann zuckte die Achseln.
    »Dein Karma«, sagte er, »ist mein Dharma. Alles eine Schoße. Nichts als leeres Stroh.«
    »Hm-mhm«, sagte Serdjuk. »Das sind ja knallharte Instruktionen.«
    »Was dachtest du. Die kommen vom japanischen Sicherheitsdienst.«
    »Und was mach ich jetzt?« fragte Serdjuk.
    »Was schon. Warten, bis es acht ist. Und laß dir einen Passierschein ausstellen.«
    Serdjuk warf einen letzten Blick auf die Schultermuskelpolster des Wachmanns, den Knüppel in seinen Händen, wandte sich langsam um und lief wieder in den Gang hinein. Er hatte das dumme Gefühl, daß es irgendeinen Spruch gab, der den Wachmann dazu veranlaßt hätte, die Tür zu öffnen – er kam nur nicht darauf. Ich tät den Skat nehmen, wenn ich wüßte, was drinliegt! dachte er mißmutig.
    »Und hör mal«, rief der Wachmann ihm nach, »lauf hier nicht ohne Geta rum. Das ist Beton, du holst dir was an die Nieren.«
    Wieder in Kawabatas Kabinett, zog Serdjuk leise die Tür hinter sich zu. Es roch streng – nach halbverdautem Fusel und Frauenschweiß. Kawabata kauerte immer noch am Boden, die Hände vor dem Gesicht, und wiegte sich von einer Seite auf die andere. Daß Serdjuk draußen gewesen war, schien er gar nicht bemerkt zu haben.
    »Herr Kawabata«, rief Serdjuk ihn leise an.
    Kawabata ließ die Hände sinken.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Mir geht es nicht gut«, sagte Kawabata. »Mir geht es hundsmiserabel. Und hätte ich hundert Bäuche, ich würde sie alle aufschlitzen, ohne zu zögern. Nie im Leben habe ich mich so geschämt.«
    »Was ist denn los?« fragte Serdjuk mitfühlend und ging vor dem Japaner auf die Knie.
    »Ich habe mich erdreistet, Sie um den letzten Dienst zu bitten. Daß keiner mehr da ist, der Ihnen für den gleichen Dienst zur Verfügung steht, wenn ich das Seppuku als erster begehe, daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Eine ungeheure Schande.«
    »Mir?« fragte Serdjuk und stand auf. »Wieso mir??«
    »Na ja«, sagte Kawabata, der gleichfalls aufstand und Serdjuk glühend in die Augen sah. »Wer soll Ihnen denn den Kopf abschlagen? Grigori oder wer?«
    »Welcher Grigori?«
    »Der Wachmann. Sie haben doch eben mit ihm gesprochen. Der könnte Ihnen mit seinem Gummiknüppel den Schädel einschlagen, mehr nicht. Dabei muß der Kopf abgetrennt werden, und zwar kunstgerecht, nicht einfach so. Er muß zum Schluß noch an einem Faden hängen. Stellen Sie sich vor, er würde davonrollen, wie häßlich! Aber setzen Sie sich doch, ich bitte Sie.«
    Unter Kawabatas hypnotischem Blick sank Serdjuk kraftlos auf die Matte nieder – er vermochte gerade noch die Augen von Kawabatas Gesicht loszureißen, zu mehr war er nicht in der Lage.
    »Kann es sein, daß Sie gar nicht so richtig wissen, was die Lehre von der furchtlosen, geradlinigen Rückkehr in die Ewigkeit über das Seppuku sagt?« fragte Kawabata.
    »Was, was?«
    »Wie man sich den Bauch aufschlitzt – haben Sie davon eine Ahnung?«
    »Nein«, sagte Serdjuk und glotzte wie betäubt an die Wand.
    »Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die einfachste ist ein horizontaler Schnitt. Das wäre so lala. Fünf Minuten Peinlichkeit und ›Guten Tag,

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