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Buddhas kleiner Finger

Buddhas kleiner Finger

Titel: Buddhas kleiner Finger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Weberbataillons aus Iwanowo, den ich auf dem Meeting vor dem Jaroslawler Bahnhof kennengelernt hatte.
    Meine Aufmerksamkeit wurde bald von dem bunten Haufen abgelenkt, denn mitten auf dem Hof sah ich eine Kalesche stehen. Vier Rappen wurden gerade angespannt. Es war ein langer, offener Landauer mit Pneureifen und Stahlfederung, die Sitzbänke aus kostbarem Holz und mit weichem Leder bezogen, Reste einer Vergoldung waren erkennbar. Dieses edle Gefährt weckte eine unaussprechliche Nostalgie in mir – Splitter einer auf ewig dahingegangenen Welt, deren Bewohner der naiven Hoffnung angehangen hatten, sich mit solchen Transportmitteln in die Zukunft retten zu können. Nun hatte es sich so ergeben, daß die Transportmittel den Marsch in die Zukunft allein angetreten hatten, und dies um den Preis ihrer Verwandlung in hunnische Streitwagen. Jedenfalls kamen einem solche Assoziationen, wenn man die drei »Lewis«-MGs auf einer Stange am Heck des Landauers sah.
    Ich trat vom Fenster zurück, setzte mich auf das Bett. Mir fiel ein, daß diese MG-Wagen bei den russischen Militärs »Tatschanka« hießen. Die Herkunft dieses Wortes war rätselhaft – beim Anziehen der Stiefel wälzte ich alle möglichen etymologischen Varianten und fand nichts Passendes. Nur ein blöder Kalauer fiel mir ein: Tatschanka – touch Anka . Nach dem gestrigen Geplänkel mit der schönen Frau (allein die Erinnerung trieb mir das Blut ins Gesicht und die Falten auf die Stirn) mußte ich ihn wohl oder übel für mich behalten.
    Mit derlei Gedanken im Kopf lief ich die Treppe hinab und auf den Hof hinaus. Jemand sagte mir, daß Kotowski mich in der Stabsscheune erwartete, und ich begab mich, ohne zu zögern, dorthin. Am Eingang hielten zwei Soldaten in schwarzen Uniformen Wache – als ich an ihnen vorüberging, standen sie stramm und salutierten. Ihren gespannten Gesichtern sah man an, daß sie sehr gut wußten, wer ich war – leider hatte die Verletzung auch ihre Namen aus meinem Gedächtnis radiert.
    Kotowski saß in einem sandgelben, bis obenhin zugeknöpften Uniformrock auf dem Tisch. Er war allein im Raum. Als erstes bemerkte ich die Totenblässe in seinem Gesicht – es sah aus wie dick gepudert. Augenscheinlich hatte er schon am Morgen heftig dem Kokain zugesprochen. Neben ihm auf dem Tisch stand ein schlanker Glaszylinder, in dem sich Wölkchen einer geschmeidigen weißen Substanz langsam auf und nieder bewegten. Es war eine Spirituslampe, wie sie noch vor Jahren in Petersburg große Mode gewesen war: Wachsklümpchen schwebten im gefärbten Glyzerin.
    Kotowski streckte mir die Hand entgegen. Ich bemerkte ein leichtes Zittern.
    »Ich weiß nicht, warum«, sagte er und hob seine klaren Augen, »seit dem frühen Morgen bewegt mich die Frage, was uns erwartet, wenn wir in die Grube fahren.«
    »Sie meinen, da wartet wer?« fragte ich.
    »Vielleicht habe ich mich ungeschickt ausgedrückt«, sagte Kotowski. »Deutlicher gesagt: Ich denke über den Tod und die Unsterblichkeit nach.«
    »Wie sind Sie denn in diese Stimmung geraten?«
    »Ach«, Kotowski zeigte ein kaltes Lächeln, »das ist im Grunde ein Dauerzustand, seit jener denkwürdigen Begebenheit in Odessa. Na ja, unwichtig.«
    Er schob die Finger vor der Brust ineinander und wies mit dem Kinn auf die Lampe neben sich.
    »Sehen Sie sich diese Wachstropfen an. Schauen Sie, was mit ihnen passiert. Erst werden sie vom Brenner erhitzt und nehmen die wunderlichsten Formen dabei an, dann steigen sie auf. Währenddessen kühlen sie wieder ab; je höher sie gelangen, desto träger sind ihre Bewegungen. In irgendeinem Punkt bleiben sie schließlich hängen, und dann, meistens bevor sie es bis ganz hinauf geschafft haben, beginnt der Abstieg. Dorthin, von wo sie gekommen sind.«
    »Jaja, darin liegt eine gewisse platonische Tragik«, äußerte ich gedankenvoll.
    »Mag sein. Ich meine etwas anderes. Stellen Sie sich vor, die den Zylinder emporsteigenden Tropfen hätten ein Bewußtsein. Dann hätten sie augenblicklich auch ein Problem. Ein Identitätsproblem.«
    »Das ist wohl wahr.«
    »Und da sind wir nah am springenden Punkt. Wenn eines dieser Wachsbröckchen nämlich meinte, es bestünde aus der Form, die es hat, so wäre es dem Tod geweiht, denn diese Form wird sehr schnell zerstört. Käme es aber dahinter, daß es Wachs ist, was passierte ihm dann?«
    »Dann kann ihm gar nichts passieren«, sagte ich.
    »Eben«, sagte Kotowski. »Dann ist es unsterblich. Der Witz ist nur der, daß es dem Wachs

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