Büchners Braut: Roman (German Edition)
wurde in seinem Haus geduldet, nachdem Louis-Théodore nach London gegangen war.
Dabei fühlte sich Minna genötigt, sich bei Georg zu entschuldigen.
Ich weiß, du mochtest ihn nicht besonders. Er war dir zu ruhig und zeigte keine eindeutige politische Haltung. Aber du hattest ihn auch nie richtig kennengelernt. Lass mich ihn nur mögen!
Allein auf die Zinsen des Darlehens möchte ich mich nicht verlassen, sagte Minna zu Julie, stellte die Kaffeetasse ab und nähte weiter an den Gardinen für den jungen Haushalt der Cousine. Die hatte neben ihr ebenso einen Schwall von weißem Musselin über den Knien.
So hat es dein Bruder auch nicht gemeint, Minna, er möchte nur, dass dir zumindest diese gewisse Einnahme bleibt. Und das Zimmer oben bei uns kannst du so lange haben, wie es nötig ist.
Du weißt, ich dank euch tausendmal, aber eben diesesNötig-Sein, das drückt mich. Ich möchte hier bei euch nicht die alte Tante Minna für eure Kinder abgeben.
Sie stand auf, schüttelte die Gardine vor sich aus, betrachtete sie.
Weißt du, Minna, dass damals ein heimlicher Aufschrei durch die Familie ging?
Julie legte eine vertrauliche Note in ihre Stimme.
Aber man beruhigte sich bald. Dein Vater war Büchner ja sehr zugeneigt, obwohl er eher schlechte Zukunftsaussichten hatte.
Und eine zweifelhafte religiöse Festigkeit zeigte und drei Jahre jünger war als ich, ergänzte Minna mit einer spitzen Heiterkeit, als amüsiere sie dieser Umstand heute noch.
Er studierte immerhin Medizin, da sein Vater darauf gedrängt hatte. Aber davon war das Brot noch nicht gebacken, von dem eine Familie leben sollte.
Als Studenten hatten Georg und Charles Schmidt kaum miteinander zu tun gehabt. Sie lebten in zu unterschiedlichen Kreisen, wenngleich zu Georgs engsten Bekannten etliche Theologiestudenten gehörten, gemeinsame Freunde wie die Brüder Stoeber und Wilhelm Baum. Von diesem wusste Minna, dass Charles Büchners Verlobung mit ihr als voreilig und unvernünftig empfunden hatte. Doch als er sich später, bereits nach Büchners Tod, mit Minnas Cousine verlobte, fiel nie ein ungutes Wort darüber.
Ich hätte Sie gerne auch glücklich gesehen, hatte er zu Minna gesagt, der gute Charles. Es klang unbeholfen, als würde sich darin so vieles verbergen, worüber man sprechen könnte, wenn es nicht so schwierig wäre.Selbst für einen Theologen, dachte Minna und hätte dies gerne neckend gesagt, aber das tat man halt nicht. Es ging eigentlich um die Frage nach ihrer Versorgung. Sie wusste es, alle dachten darüber nach, ohne es auszusprechen.
Aber mild und klug hatte Charles gesprochen. Es klang versöhnlich. Und wenn er so im Zimmer ging, aufrecht, schlank, hochgewachsen, die dichten, welligen Haare nach hinten gekämmt, und dazu diese hohe, runde Stirn, da war die Erinnerung an Georgs Anblick nahe, so grausam und wohlig nahe.
Er hatte Julie geheiratet. Die schöne Julie. Sie war sicher das liebreizendste Geschöpf der Familie, mit ihrer kastanienfarbenen Haarpracht, dem Schwanenhals, für den nur ein einfaches Silberkettchen, ein Perlentropfenanhänger als Schmuck genügte. Minna hatte lange in ihr die kleine Cousine gesehen, ein Mädchen ohne große Vorzüge, außer dem, hübsch zu sein.
Ich bin nicht das, was man hübsch nennt, und werde nicht hübscher mit meinen nun fast dreißig Jahren, sagte Minna zu sich, am kleinen Teetisch oben in ihrem Zimmer, über einen neuen Brief aus Darmstadt gebeugt. Von den Büchners war er. Meist schrieb Mathilde, diesmal Louise. Beide Georgs Schwestern.
Es müsse doch entschieden werden, schrieb Louise, ob sie nun in Straßburg sich ein Auskommen als Kinderfrau oder mit einer Kleinmädchenschule suche oder es wage, eine Gouvernantenstelle anzunehmen. Eine französische Gouvernante, zweisprachig gewandt in Wort sowie Schrift, sogar mit Englischkenntnissen, würde in Deutschland gerne aufgenommen.
Diesmal hatten sie ein Angebot in Mainz für Minna aufgetan. Die jüngste Tochter des Festungskommandanten General Müffling benötige eine Kinderfrau.
Es musste noch etwas geschehen in ihrem Leben. Kein Straßburg mehr, nicht allweil dieselben Gassen, in denen ihr ein Gesicht wie das andere gleich erschien und fast alle Bekannten miteinander verwandt waren.
Mainz. Nun ja, keine bedeutende oder große Stadt.
Julie ahnte die bald anliegende Entscheidung, als ihr Minna von diesem erneuten Angebot erzählte.
Ich war ja immer für England, mir wäre es lieber, du wärst in der Nähe deines Bruders.
Nein,
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